Predigten

P. Engelmar Unzeitig CMM
Missionar der Wahrheit, der Gnade und der Liebe

Predigt bei der Gedächtnismesse am 2. März 1985, 40 Jahre nach seinem Tod.

Offb 21, 1-7
Joh 12, 23-28

Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, Schwestern und Brüder im Herrn!

Letzte Worte

Zu den kostbarsten Geschenken, die wir P. Engelmar Unzeitig verdanken, gehören die letzten Zeilen, die er in Dachau kurz vor seinem Tod geschrieben hat. Sie sind wie ein Testament für uns. Sie haben ein anderes Gewicht als irgendwelche schön geformte Worte; es ist ein Gewicht, das durch den ganzheitlichen Einsatz dieses Priesters seinen Worten mitgegeben ist. Sie verbinden sich mit den letzten Worten, die uns in der heutigen Liturgie begegnen. Das Evangelium, das wir eben hörten, ist die letzte öffentliche Rede des Herrn nach dem Zeugnis des Johannesevangeliums. Die Epistel berichtet uns letzte Worte des Herrn im letzten Buch der Hl. Schrift. Die Worte des letzten Briefes von P. Engelmar aus dem KZ sind wie ein eindringlicher Kommentar dieser Herrenworte. Sie können uns nahebringen und verdeutlichen, was der Herr uns sagen will. Über seinen Tod hinaus erweist sich P. Engelmar als Missionar. Gewiss hat er, als er in dieser Kirche am 8. August 1939 die Priesterweihe empfing, an einen anderen missionarischen Einsatz gedacht. Der Herr hat es anders gewollt. Er hat ihm eine besonders schwierige und wichtige Missionsaufgabe zugewiesen; ich finde, sie ist für die Missionierung unseres weithin heidnisch gewordenen Vaterlandes bis zur Stunde aktuell. P. Engelmar ist ein Missionar der Wahrheit, der Gnade und der Liebe. So können wir es seinem letzten Brief entnehmen.

Missionarisches Zeugnis

Wahrheit

Die Wahrheit, die P. Engelmar uns vor allem vermittelt, heißt: „Wir sind in Gottes Hand geborgen.“ Vorsichtig spielt er auf die schwierigen Verhältnisse an. Es war ja nicht einfach, in einem durch die Zensur gehenden Schreiben, ganz konkret zu werden. Er deutet die Situation nur so an, wie es die Häftlinge gelernt hatten. Dann fährt er wörtlich fort: „All das nimmt uns aber nicht die Gelassenheit, da wir uns alle in Gottes Hand wohl geborgen fühlen, wie der hl. Paulus sagt: Wir mögen leben oder sterben, wir sind des Herrn!“

Liebe Mitchristen! Ein solches Wort in einem solchen Kontext, im Angesicht von Not und Tod, von Hass und Brutalität, im Erfahren menschlicher Schwächen und unmenschlicher Verkommenheit, ein solches Wort im Blick auf den sicheren Tod ist alles andere als selbstverständlich. Es ist ein wahrhaft nonkonformistisches Wort, ein kühnes Wort, ein Wort, wie es allein die Gnade sprechen lehrt.

Trotz allem und in allem sich in Gottes Hand wohl geborgen wissen, das ist Communio mit dem Herrn, dessen letztes Wort nach dem Zeugnis des Lukasevangelium heißt: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46).

„In Gottes Hand geborgen.“ Da wird das Wort des Alten Testamentes wieder lebendig, das wir heute wie am Fest unserer Frankenapostel, der Märtyrer Kilian, Kolonat und Totnan, hören: „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand“ (Weish 3,1). Am Fest unseres seligen Märtyrerpriesters Liborius Wagner verkündet die Kirche erneut diese Wahrheit, die uns allen zugesprochen ist.

P. Engelmar hat in zwei Briefen, die er vorher schrieb, mit anderen Worten auf dieselbe wunderbare Wahrheit hingewiesen. 1941 schreibt er am Peter- und Paulstag: „Uns alle stärkt der Gedanke, dass ohne den Willen Gottes nicht einmal ein Haar auf unserem Haupte fällt und dass denen, die Gott lieben, oder die wenigstens sich darum bemühen alles zum besten gereicht“. Man hat den Eindruck, er scheut sich fast zu sagen, „Ich gehöre zu denen, die Gott lieben.“ So fügt er hinzu: „die wenigstens sich darum bemühen.“ In aller Bescheidenheit – er war ja ein stiller und zurückhaltender Mensch – kann er das von sich sagen: Er hat sich bemüht. So setzt er auf den Gott, der ganz anders handelt, als es augenscheinlich ist, als es dort erlebt wird: Er lässt alles zum Besten gereichen. Zwei Monate später notiert er: „Gott lenkt alles mit wunderbarer Weisheit. Wir wissen nur nicht immer sofort, wozu alles gut ist.“ Hier spüren wir die Not, die hinter diesen Worten steckt, das Eingeständnis, dass es für uns weiß Gott nicht sofort auf der Hand liegt, wozu das alles gut ist, was das alles für einen Sinn hat.

P. Sales, der die Not dort geteilt hat, hat seinen erschütternden Bericht über jene Jahre mit den Worten überschrieben: „Welt ohne Gott“ (Sales Hess, Dachau – Welt ohne Gott, Nürnberg 1946). So sah es in der Tat in Dachau aus; und dennoch sagt der Glaube: Auch diese, von Menschen gegen Gott errichtete Welt ohne Gott, ist Gottes Hand nicht entglitten. Er hält alles und weiß alles zum besten zu lenken. Das ist eine Wahrheit, die uns nicht nur gut tun kann, es ist eine Wahrheit, die unser Leben von Grund auf ändern kann, die unser Leben tragen und formen, reich und fruchtbar machen kann.

Gnade

Ein zweites Wort aus seinem letzten Brief zeigt P. Engelmar als Missionar der Gnade. Unser Mitbruder schreibt: „All unser Tun, unser Wollen und Können, was ist es anders, als seine Gnade die uns trägt und leitet. Seine allmächtige Gnade hilft uns über die Schwierigkeiten hinweg, ja, wie die hl. Felizitas sagt, leidet der Heiland selbst in uns und ringt zusammen mit unserem guten Willen um den Triumph seiner Gnade. So können wir seine Ehre mehren, wenn wir seiner Gnadenschaft kein Hindernis entgegensetzen und uns restlos an seinen Willen hingeben.“ „Kampf um den Triumph seiner Gnade“ könnten wir diese Sätze zusammenfassen.

Wir sollten auch hier hellhörig sein für das Zeugnis des Leidens, für diese Passionsworte, die hier verhalten gesprochen werden. Es geht um eine Not, die keiner von uns nachempfinden kann, keiner, damit meine ich alle, die jenes Schicksal nicht geteilt haben. In unserer Mitte sind ja Mitbrüder, die es am eigenen Leib miterlitten haben. Ich benutze diese Gelegenheit gern, um Ihnen meine Hochachtung und meine Dankbarkeit zu bezeugen, und um Ihnen zu versichern, dass wir auch Ihr Zeugnis weiterhin nötig haben. Wir anderen können uns kaum vorstellen, was es hieß in solch einer Situation vom Triumph seiner Gnade zu sprechen.

P. Engelmar hat von diesem Triumph nicht gesprochen weil er sich selber stark fühlte, mächtiger als alles, was gegen ihn unternommen wurde. Er weist auf den Herrn hin uns sagt: Er selber leidet in uns. Er ist in unserer Mitte. Um seine Passion für das Heil der Welt geht es auch an dieser Stätte. Und weil er da ist und weil er Diener dort ist, wo der Herr ist, – wir haben es eben im Evangelium gehört – deshalb kann es einen Triumph der Gnade geben, die mächtiger ist als alles Widergöttliche. So spricht der Herr: „Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein“ (Joh 12,26). Unser Mitbruder ist diesem Appell Christi gefolgt. Er wusste sich dem Herrn verbunden. Er wusste, dass der Herr bei ihm ist und dass er den Sieg der Gnade feiert. Er wusste: An uns ist es, dass wir uns diesem Herrn ganz und gar anvertrauen. Das heißt ja eigentlich glauben: Nicht bloß irgendetwas für wahr halten, sondern sich selbst ganz und gar, mit Leib und Seele, mit Haut und Haar, in jedem Augenblick dem Herrn übergeben. In einem Brief aus dem Jahr 1943 schreibt P. Engelmar: „Im übrigen übergebe ich alles der Barmherzigkeit Gottes und suche schlicht Tag für Tag und Stunde für Stunde Gottes heiligen und wirklich anbetungswürdigen Willen zu erfüllen so gut ich nur kann. Der Heiland gibt mit ja in diesen Kartagen,“ – das galt gewiß nicht nur für die liturgischen Tage,- in diesen Kartagen „auch das schönste Beispiel mit den Worten: Vater, nicht mein, sondern Dein Wille geschehe. Das ist also der geradeste Weg zu Gott.“

Lassen wir uns, liebe Schwestern und Brüder, das von diesem glaubwürdigen Zeugen gesagt sein. Übergeben wir uns und alles der Barmherzigkeit Gottes, bereit, seinen Willen zu erfüllen. Wir können gewiss sein, der Herr feiert auch in dieser unserer Welt und dieser unserer Geschichtsstunde den Triumph seiner Gnade.

Liebe

Ein Letztes sollten wir uns heute sagen lassen. Unser lieber P. Unzeitig war Missionar der Liebe. Von ihr schreibt er in seinem letzten Brief: „Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Menschen Herzen gedrungen, was Gott für die bereithält, die ihn lieben.“ wunderbarer Weisheit. Wir wissen nur nicht immer sofort, wozu alles gut ist.“ Hier spüren wir die Not, die hinter diesen Worten steckt, das Eingeständnis, dass es für uns weiß Gott nicht sofort auf der Hand liegt, wozu das alles gut ist, was das alles für einen Sinn hat.

Schwestern und Brüder! In der Not, in der die Unfreiheit wohl mit das Schlimmste ist, was verkraftet werden muss,- in der das Leid überhand nimmt, in solch einer Situation davon zu sprechen, dass es innerlich Frei- und Frohmachendes gibt, ist nichts weniger als ein Wunder, ein Wunder der Gnade, ein Wunder der Liebe. Unser Pater sagt: So handelt die Liebe Gottes. Er ist ein Zeuge, ein Missionar, ein Märtyrer der Liebe. Er hat nicht ein paar schwärmerische Worte in einer schönen, gemütvollen Stunde von sich gegeben. Er schreibt, was ihn bewegt und trägt; er hat diese Worte gelebt. Die Mithäftlinge wissen, dass er zu denen zählte, die in der Not bereit waren zu helfen, bereit auch den Ärmsten der Armen zu helfen. In der Not von Dachau waren sicher Polen und Russen die am meisten Geschundenen und Verachteten. Für sie hat er am Ende sein Leben geopfert, als er in die Typhusbaracke ging, um dort als Seelsorger bis zum Letzten zu wirken. Wenn er von der Liebe spricht, weiß er, wovon er redet. Dass er das nicht verkniffen und verkrampft tut, sondern davon spricht, dass der Herr frei und froh macht, das macht diesen Zeugen nicht nur glaubwürdig, sondern auch liebenswürdig. Dass diese Worte nicht nur Geschenk einer besonders begnadeten Stunde waren, sondern seine Überzeugung wiedergeben, zeigen zwei andere Briefe, die in der Not des KZ’s geschrieben wurden. 1943 schreibt er im Vorfeld unseres Kilianifestes: „Man kann wirklich kaum ausdrücken, wie gut und wonnig es ist, Gott zu dienen, für alles, sei es Frohes oder Leidvolles, zu danken und alles aufzuopfern“. Heroisch ist es, in jener Situation für alles zu danken und alles aufzuopfern – so müssen wir sagen.

P. Engelmar sagt: Es ist „gut und wonnig“! Es macht Freude! Es macht glücklich, so handeln zu dürfen! Ein Jahr später notiert er: Man erkennt immer wieder, wie „uns soviel Trost und Freude zuteil wird, wie schon der hl. Paulus sagte: Ich fließe über vor Freude in all meiner Trübsal. Könnte man nur allen die Freude in Gott mitteilen, oder sie veranlassen, dass sie die Freude nach Gottes Willen suchten … Wir wollen weiter Gott bitten, dass er die Menschen an sich ziehe und ihnen Sinn gebe für das wahre Glück bei ihm.“ Hier klingt das Wort an, das der Herr auch in jener letzten Rede spricht: „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). Die Liebe, die dieses bewirkt, macht in Wahrheit innerlich frei und froh.

„Siehe, ich mache alles neu“

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Zu den bewegendsten Zeugnissen von P. Unzeitig gehört das kleine Skriptum, das er für einen Russen geschrieben hat. Mit Mühe hat er sich um die russische Sprache bemüht, um schlichte Hilfe von Mensch zu Mensch geben zu können und vor allem um Wichtiges missionarisch sagen zu können. So hat er in russisch aufgeschrieben, was er einem für immer ans Herz legen wollte. Es sind insbesondere Worte aus den Psalmen, Worte des Herrn. Am Schluss steht: „Siehe, ich mache alles neu“ (Offb 21,5), das Wort, das wir eben am Schluss der ersten Lesung gehört haben. Es ist das Wort, in dem der Herr all seine Liebe zusammenfasst und uns auf seine Weise die Zukunft eröffnet, die Zukunft, die wir in der Gemeinschaft mit ihm in einem neuen Himmel und einer neuen Erde erleben sollen. „Siehe, ich mache alles neu“. Das ist die Summe der Wehrheit, der Gnade und der Liebe, die P. Unzeitig uns auf seine Weise ans Herz legt. Bitten wir den Herrn, dass er auch uns neu macht, dass wir erkennen, dass wir und die Welt in Gottes Hand geborgen sind, dass wir den Kampf nicht scheuen, damit der Triumph seiner Gnade auch in unserer Welt sich ereignet, dass wir in seiner Liebe neu werden, innerlich frei und froh!

Ein letztes Wort aus dem Abschiedsbrief, soll auch hier das Letzte sein: „Wir wollen weiter alles tun und aufopfern, dass Liebe und Friede bald wieder herrschen möge.“ Gebe der Herr, dass viele das mitsprechen, in aller Entschiedenheit, in Liebe, in Freude und in Freiheit, kraft der Gnade und von Gottes Hand geleitet: „Wir wollen weiter alles tun und aufopfern, daß Liebe und Friede bald wieder herrschen mögen.“ Amen.

Pater Dr. Hubert Wendl CMM

Fastenpredigt im Dom zu Würzburg, 5. März 2008

„… wenn ihr Fesseln sprengt“

Das Zeugnis von Pater Engelmar Unzeitig CMM

Liebe Schwestern und Brüder!

„Selig seid ihr, wenn ihr Fesseln sprengt.“ Menschen, die unschuldig Gefangene befreien und die Menschen aus ihren Klammen und Fesseln befreien, werden wirklich hoch gepriesen und selig gesprochen: Es ist für uns schon immer ein wichtiges Bild für Erlösung durch Gott bereits im Alten Testament. Es ist aber eben auch ein Bild für die Erlösung durch Jesus Christus geworden. Es ist eine Tat, die aus dem Glauben entspringt und darin ihren Ursprung hat. Glaube ist schon bereits eine Tat, eine Entscheidung, eine freie Antwort auf den Anruf Gottes an uns. Glauben ist festes Stehen in Jesus Christus, der Halt und Geborgenheit gibt sowie unerschütterlich zuverlässig ist. P. Engelmar steht heute als ein Beispiel für einen solchen Glauben – vor allem in der Prüfung und Erschütterung – vor uns. Er war im Konzentrationslager Dachau in einem Ort des tödlichen Entsetzens gefangen. Und hier als Gefangener, wo er die Fesseln und Klammern des Unrechtsystems selber spüren musste, setzte er sich für andere ein, bemühte er sich, anderen die Fesseln zu lösen, mit denen er selbst äußerlich gefangen war. Innerlich – in seinen Gedanken, in seinem Glauben – konnte er seinen eigenen Fesseln entfliehen und sogar für andere Kraft sein, dass auch sie in ihrem Gefangensein eine innere Freiheit gewinnen konnten. So wie Paulus im Gefängnis sitzt und weiterhin Kontakt mit seinen Gemeinden hält und das Evangelium verkündet, so gelang es auch P. Engelmar immer wieder im KZ Dachau über Verbote und Gefahren hinweg den Glauben zu verkünden und anderen beizustehen.

1911 wurde Hubert Unzeitig in Greifendorf in Ostmähren im heutigen Tschechien geboren. Zusammen mit seinen vier Schwestern und seiner Mutter – der Vater ist im 1. Weltkrieg gestorben – hilft er auf dem Bauernhof mit und arbeitet auch als Bauernknecht auf einem tschechischen Hof. Zu uns Mariannhiller Missionaren kam er über das damalige Spätberufenenseminar in Reimlingen und trat nach dem Abitur als Frater Engelmar in die Kongregation ein. Theologie studierte er hier in Würzburg teils an der Universität aber auch in unserem Piusseminar. Am 6. August 1939 wurde er hier in unserer Kirche zum Priester geweiht. Er wurde anschließend nach Österreich versetzt und übernahm dort im Sommer 1940 die Seelsorge in der Pfarrei Glöckelberg im Böhmerwald. Für P. Engelmar begann hier seine Zeit der Entscheidung und Prüfung. Am 21. April 1941 wurde er in Glöckelberg wohl wegen seiner Äußerungen in der Predigt oder im Schulunterricht, verhaftet und ins Linzer Gefängnis gebracht. Nach sechs langen Wochen bangen Wartens im Gefängnis wurde P. Engelmar nach Dachau überführt.

„Kam am 3. Juni hier in Dachau an. Bin gesund“. (1) Mit diesen zwei einfachen Sätzen beginnt P. Engelmar seinen ersten Brief aus dem KZ an seine Schwester. Als Häftling 26 147 lebte er auf dem Priesterblock Nr. 26 fast vier Jahre bis zu seinem Tod in den Typhusbaracken des Lagers.

In Dachau, dem ersten Konzentrationslagers des Dritten Reichs, wurde die Menschenwürde von 200 000 Gefangenen aus fast 40 Nationen buchstäblich mit Füssen getreten. Allein im sogenannten „Priesterblock“ in den Baracken 26 und 28 lebten fast 3 000 Geistliche auf engstem Raum beisammen. Fast vier Jahre lang arbeitete P. Engelmar dabei in Schreibstuben, auf der Plantage oder in einem Montagewerk der Flugzeugindustrie. Dazu kamen täglich die ständigen Zählappelle, das mühsame Schleppen der riesigen Suppentonnen und überall und jederzeit herrschten bestialische Zustände durch die Schikanen der SS im Lager. Es war für viele ein Leben in der Hölle auf Erden; und dennoch erinnerten sich Mithäftlinge von P. Engelmar gerne an ihn und rühmten ihn wegen seiner Nächstenliebe, die sie von ihm teilweise selbst erfahren oder erlebt haben.

Liebe Mitchristen!

Man kann wohl niemanden, der im Konzentrationslager war, einen Vorwurf daraus machen, wenn er versuchte, diese Hölle für sich etwas angenehmer zu gestalten. Die Versuchung, sich das harte Leben etwas zu erleichtern war groß und viele verbitterten im Lager, denn der Sklavenarbeit bei Wasser und Brot konnte niemand entgehen. Die wenigen Essenspakete, die Angehörige ins Lager schicken durften, waren für sie eine willkommene Ergänzung zur angebotenen Magerkost. Hunger herrschte überall im Lager. Obwohl die Pakete vielfach schon für eine Person zu wenig waren, wurden viele davon mit denen geteilt, die sie nötig hatten. P. Engelmar schreibt in einem seiner Briefe aus dem KZ: „Es erschüttert einen oft, wenn man sieht und hört, wie die Menschen, die man trifft, trotz der Heimsuchungen, mit denen Gott an ihr Herzenskämmerlein anklopft und sie vom Seelenschlafe aufwecken will, weiter verstockt und verblendet dahinleben und eher verstockter und verbitterter werden. Andererseits erkennt man immer wieder, wie nach den Lehren unserer heiligen Religion all die Rätsel und Schwierigkeiten, die anderen so zu schaffen machen, so schön gelöst werden und uns so viel Trost und Freude zuteil wird.“ (2)

Fast ist man versucht, wenn man diese Worte hört, den harten Hintergrund des Lebens oder Überlebens im KZ zu vergessen. Aber gerade, wenn wir diese Bilder im Kopf haben, bekommen diese Worte einen geradezu mystisch tiefen Sinn. In seinem Leben, im Alltag im KZ empfand P. Engelmar den Trost und die Freude seines Glaubens und gerade diesen wollte er ja verkünden. Er ist Mariannhiller geworden, weil er als Missionar in die Welt gehen wollte. Und nun wirkte er als Missionar im KZ und konnte anderen den Trost des Glaubens und die Freude an Gott weitergeben. Ja, es gelang ihm sogar missionarisch tätig zu werden. Auch wenn er in Fesseln lebte, spürte er, dass das Evangelium nicht zu fesseln ist, sondern befreit. Seine Hauptsorge galt dabei vor allem den russischen Mitgefangenen, die in der Lagerhierarchie am untersten Ende standen. Wenn seine eigenen Essenspakete nicht für alle Hilfsbedürftigen reichten, bettelte P. Engelmar auch bei seinen Mitbrüdern in der Baracke um Lebensmittel aus ihren Paketen, um möglichst vielen helfen zu können. Er lernte in seinen wenigen freien Minuten Russisch, um mit einigen russischen Gefangenen zu sprechen, was strengstens verboten war. Heimlich und im Stillen gab er einigen auch religiösen Unterricht. Zusammen mit einigen Priestern verwendete er dazu einen russischen Katechismus, der in mühsamen Stunden im Lager von Hand geschrieben wurde. Das Papier und die Tinte dazu wurden wohl aus den Schreibstuben organisiert, worauf allein schon harte Strafen standen. Der Katechismus Unterricht selbst geschah aber unter Lebensgefahr für die Priester. Und wohl nur die Deckung des ganzen Priesterblocks war dazu nötig, um unerkannt .und unbestraft zu bleiben. Sie nahmen viel auf sich, um die Frohe Botschaft zu verkünden und anderen am Trost des Glaubens Anteil zu geben.

Sein Mitleid und seine Mitsorge waren aber nicht nur auf die Mitgefangenen im Lager begrenzt. Er wusste, was der Krieg in Deutschland angerichtet hat und fragt in seinen Briefen immer wieder nach dem Befinden von Bekannten. So schreibt er an seine Schwester: „Wenn ich heute an meinem Primiztag bedenke, dass ich nun schon die längere Zeit meines Priestertums herinnen verbringe, so muss man doch sagen, Gottes Wege sind wunderbar. Ja, Gott braucht … nur unsere Liebe, unsere Hingabe, unser Opfer. So hoffe auch ich, den unzähligen Heimatlosen, all den Hilf- und Trostlosen, besonders in den schwer heimgesuchten Städten in etwa zu Hilfe kommen zu können. Dazu hat uns wohl Gott aus der aktiven Seelsorge herausgenommen, dass wir als große Beter Schar durch Gebet und Opfer zu Gott um Gnade und Erbarmen flehen für unsere Brüder und Schwestern draußen.“‘ (3)

Er war ergriffen von der Situation im Land und vom Leid, das so viele heimgesucht hat. In einer Lebenssituation, in der viele sich nur auf sich selbst zurückgezogen haben, um ihr eigenes Überleben in Not und Leid zu sichern, war P. Engelmar noch fähig, das Leid anderer zu sehen und mit den Möglichkeiten zu antworten, die er hatte. Es ist schon ein Zeichen großer Nächstenliebe als gedemütigter Gefangener im KZ im Gebet nicht nur an sich selbst zu denken, sondern andere mit einzubeziehen. Sein Glaube, dass das Evangelium nicht zu fesseln ist, half ihm dabei, seinen Horizont zu weiten und in seiner missionarischen Lebensweise nicht bei sich stehen zu bleiben.

Im Januar 1945 kam es im Lager wegen der mangelhaften hygienischen Zustände zu einer verheerenden Fleckfieberepidemie. Weil das Krankenrevier zu klein wurde, wurden bestimmte Baracken einfach eingezäunt und die Kranken in diese eilig errichtete Quarantänestationen zusammengepfercht; so starben täglich mehr als 100 Menschen in diesen elenden Zuständen. Wegen der unmittelbaren Todesgefahr durch Ansteckung war zum Schluss niemand mehr bereit, einen Pflegeposten in den verseuchten Baracken anzunehmen. So versucht die Lagerleitung im Priesterblock Freiwillige zu suchen, die diese Pflege übernehmen sollten. 20 Priester – 10 polnische und 10 deutsche – darunter P. Engelmar Unzeitig meldeten sich freiwillig als Pfleger. Diese Priester widmeten sich der Pflege der Todkranken und spendeten ihnen die Sakramente. Immer wieder kamen Priester aus ihrem Block an den Zaun der Todesbaracken und brachten Lebensmittel, Kommunionen und Krankenöle für die Kranken und unterstützten sie so in ihrem Dienst am Nächsten. So versuchten die Priester den zusammengepferchten Todkranken in diesen Baracken beizustehen und ihnen wenigstens ein menschliches Sterben zu bereiten.

Am 2. März 1945 starb P. Engelmar, nachdem er sich bei der Pflege in den Baracken selbst mit der tödlichen Krankheit angesteckt hatte. Einige Mitbrüder aus dem Priesterblock bemühten sich um seine Asche und schmuggelten sie auf abenteuerliche Weise aus dem KZ nach Würzburg, wo die Urne P. Engelmars am Karfreitag zunächst in unserer Gruft am Friedhof beigesetzt wurde und 1968 schließlich in unsere Kirche an die heutige Gedenkstätte übertragen wurde.

„Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Herz gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. Freilich trifft auch sie die raue Diesseitswirklichkeit mit all dem Hasten und Jagen und mit dem ungestümen Wünschen und Fordern, mit ihrer Zwietracht und mit ihrem Hass wie ein beißender Frost, aber die Strahlen der wärmenden Sonne der liebe des allgütigen Vaters sich doch stärker und werden triumphieren, denn unsterblich ist das Gute und der Sieg muss Gottes bleiben.“ (4) So schreibt P. Engelmar in einem seiner letzten Briefe aus dem KZ.

Liebe Schwestern und Brüder!

Es gibt viele Situationen, die uns immer wieder zweifeln lassen. „Warum lässt Gott das zu?“ Eine Frage, auf die es keine Antwort gibt als den Glauben. Ein Glaube, der Tat werden will und der in Liebe antwortet, auch in der Umgebung von Hass und Gewalt. Der Glaube kann dann wieder Ordnung in unsere Herzen bringen. Auch wenn ich selbst gefesselt bin, bleibt das Wort Gottes frei und hat die Kraft Fesseln abzustreifen. Es ist eine Freiheit, die auch uns in unserem Alltag tragen kann. So können dann auch wir sehen, wo unsere Liebe, wo wir gebraucht werden. Denn „Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh.“

Predigt von Pater Hubert Wendl anlässlich des 100. Geburtstages von Pater Engelmar Unzeitig in der Herz-Jesu-Kirche in Würzburg, © Rudolf Müller

Liebe Schwestern und Brüder!

Die christliche Gemeinde in Korinth wurde von Paulus gegründet und die Christen dort hingen ihm sehr am Herzen, er nahm deshalb regen Anteil an der Entwicklung dieser Gemeinde auch dann, wenn er auf seinen Reisen war. Immer wieder wurden ihm in Briefen die Ereignisse in Korinth gemeldet und dabei ging es sehr menschlich zu. Es ging um Machtfragen. Wer wird das Sagen haben? Wer ist eigentlich der bessere Christ? Und jede Partei versuchte dabei ihre Position zu stärken, jeder wollte möglichst an erster Stelle stehen. Und so versuchte man Paulus in ein schlechtes Licht zu rücken und die eigenen Vorzüge hervor zu heben. Und so entstand ein heilloser Streit unter den Christen in Korinth, denn niemand kann zwei Herren dienen.

Und deshalb schreibt Paulus seinen Brief an die Gemeinde als Antwort und Weisung in diesem Streit. Sie sollen sich als Diener Christi ansehen und als Verwalter über das, was Gott ihnen anvertraut hat. Paulus gibt eine ganz klare geistliche Linie vor. Es kann nicht angehen, dass in einer christlichen Gemeinde Menschen versuchen sich herauszuheben. So menschlich dies auch immer sein mag, es widerspricht dem Grundgedanken christlicher Gemeinschaft. Wir sind Diener Christi. Letztlich zählt Gottes Urteil über uns, denn er bringt auch das Verborgene ans Licht. So sollen wir uns zurückhalten mit dem Kritisieren anderer, mit dem Fällen von Urteilen über Menschen, vor allem vernichtende Urteile. Und dennoch fällen wir immer wieder Urteile über Menschen. Es gibt Urteile in unseren Gerichten und Urteile aus Willkür oder aus purem Machtstreben heraus. Wir stellen damit Menschen an den Rand und werden Richter über Tod und Leben.

Auch unser P. Engelmar Unzeitig musste dies schmerzhaft erfahren. Am 21. April 1941 wurde er in seiner Pfarrei Glöckelberg verhaftet und ins Linzer Gefängnis gebracht. Nach sechs langen Wochen bangen Wartens im Gefängnis wurde P. Engelmar in das KZ Dachau überführt. Ein Urteil wurde eigentlich nicht gefällt, aber er geriet in die Mühlen der Ungerechtigkeit der Willkür, und das ist meist noch mehr als ein außerst vernichtendes Urteil.

Vor 100 Jahren am 1. März wurde Hubert Unzeitig in Greifendorf in Ostmähren im heutigen Tschechien geboren. Zu uns Mariannhiller Missionaren kam er über das damalige Spätberufenenseminar in Reimlingen und trat nach dem Abitur als Frater Engelmar in die Kongregation ein. Theologie studierte er hier in Würzburg teils an der Universität aber auch in unserem Piusseminar. Am 6. August 1939 wurde er hier in unserer Kirche zum Priester geweiht. Er wurde anschließend nach Österreich versetzt und übernahm dort im Sommer 1940 die Seelsorge in der Pfarrei Glöckelberg im Böhmerwald.

Liebe Schwestern und Brüder!

Als Häftling, oder vielmehr als Nummer 26 147 lebte P. Engelmar auf dem Priesterblock fast vier Jahre bis zu seinem Tod in den Typhusbaracken des Lagers. Es gab viele, die versuchten, diese Hölle für sich etwas angenehmer zu gestalten. Und viele verbitterten ganz einfach an der Härte des Lagers.
P. Engelmar schreibt in einem seiner Briefe aus dem KZ: „Daß für uns viel gebetet wird und daß Gott wunderbar alles lenkt, merken wir täglich an uns. Doch hoffe ich, wie schon gesagt, auch hier für die Ewigkeit arbeiten zu können.“ Fast ist man versucht, wenn man diese Worte hört, den harten Hintergrund des Lebens oder Überlebens im KZ zu vergessen. Aber gerade, wenn wir diese Bilder im Kopf haben, bekommen diese Wort einen geradezu tiefen Sinn.

Er fühlte sich und lebte als Diener Gottes und als Verwalter der Geheimnisse Gottes. In seinem Leben, im Alltag im KZ konnte P. Engelmar anderen den Trost des Glaubens und die Freude an Gott weitergeben. Ja, es gelang ihm sogar missionarisch tätig zu werden. Seine Hauptsorge galt dabei vor allem den russischen Mitgefangenen, die in der Lagerhierarchie am untersten Ende standen. Wenn seine eigenen Essenspakete nicht für alle Hilfsbedürftigen reichten, bettelte P. Engelmar auch bei seinen Mitbrüdern in der Baracke um Lebensmittel aus ihren Paketen, um möglichst vielen helfen zu können. Er lernte in seinen wenigen freien Minuten Russisch, um mit einigen russischen Gefangenen zu sprechen. Heimlich und im Stillen gab er einigen auch religiösen Unterricht. Zusammen mit einigen Priestern verwendete er dazu einen russischen Katechismus, der in mühsamen Stunden im Lager von Hand geschrieben wurde.
„Wenn man dem Getriebe der Welt etwas fern ist und mit Menschen aus allen Gegenden und Himmelsrichtungen zusammenkommt, weitet sich der Blick, man merkt wie kurz, wie geringfügig dieses Leben ist im Vergleich mit der Ewigkeit, mit ewigem Glück oder Unglück des Menschen, wovon der Mensch schon auf Erden ein Stück im Herzen trägt,“ so schreibt P. Engelmar über sein Leben und Handeln.

In seiner Sorge für die Mitmenschen hat sich P. Engelmar im Januar 1945 freiwillig als Pfleger für die Typhusbaracken gemeldet. Alle 20 Priester, die sich dafür meldeten, waren sich bewusst, welches Risiko sie für sich eingingen. Sie versuchten den Kranken in den Todesbaracken wenigstens ein menschliches Sterben zu bereiten, so gut dies möglich war. In einer Umgebung, die von Hass und Gewalt geprägt war, antworteten sie in Liebe bis zum Tod. Am 2. März 1945 starb P. Engelmar dann selbst am Flecktyphus. Mithäftlinge, Priester aus seiner Baracke, sorgten dafür, dass seine Asche aus dem KZ heraus geschmuggelt werden konnte und dass P. Engelmar so letztlich in unserer Kirche beigesetzt werden konnte.

„Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Herz gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. […] die Strahlen der wärmenden Sonne der Liebe des allgütigen Vaters sind doch stärker und werden triumphieren, denn unsterblich ist das Gute und der Sieg muss Gottes bleiben“ so schreibt P. Engelmar aus dem KZ in einem seiner letzten Briefe und fasst damit eigentlich auch sein Leben zusammen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Für Paulus ist es wichtig, dass wir unser Leben so gestalten, dass wir als gute Diener Christi dastehen, als gute Verwalter der Geheimnisse Gottes. Es ist so leicht, einen Menschen durch wenige Worte an den Rand zu stellen, aber das ist nicht Dienerschaft Christi. Als Verwalter der Geheimnisse Gottes muss es auch uns darum gehen, diese Menschen zur Umkehr zu rufen, ihnen Mut zur Veränderung machen, auf dass sie in ihrem Tun wieder das Wohl der Menschen im Blick haben. Das sind die Ziele Gottes, und darin sind auch wir Diener und Verwalter, dass wir diese Ziele lebendig halten in dieser Welt.

Und das gelingt nur, wenn wir nicht verurteilen und Menschen nicht beiseite schieben, sondern wenn wir andere Menschen mitnehmen auf unserem Weg und zu diesem Glauben bewegen, so wie Jesus heute am Ende des Evangeliums sagt: Sorgt euch nicht um euer Leben, sondern sorgt und kümmert euch zuerst um Gottes Reich und um seine Gerechtigkeit, alles andere wird euch dazu gegeben werden. Es ist ein anspruchsvoller Auftrag, aber auch eine segensreiche, ermutigende Verheißung. Auf diesem Weg sind wir unterwegs, zwar als Menschen mit Fehlern, aber in der Bereitschaft aus dem Glauben heraus. P. Engelmar ist uns für diesen Weg ein Vorbild, er zeigt uns, was es heißt, als Diener Gottes zu leben.

Gedenken am Tag des Stolpersteins für Pater Engelmar Unzeitig

Ansprache bei der Steinlegung

Am 1. März 1911 wurde Hubert Ujnzeitig in Greifendorf in Ostmähren im heutigen Tschechien geboren. Zusammen mit seinen vier Schwestern und seiner Mutter – der Vater ist im 1. Weltkrieg gestorben – hilft er auf dem Bauernhof mit und arbeitet auch als Bauernknecht auf einem tschechischen Hof. Zu uns Mariannhiller Missionaren kam er über das damalige Spätberufenenseminar in Reimlingen und trat nach dem Abitur als Frater Engelmar in die Kongregation ein. Theologie studierte er hier in Würzburg teils an der Universität aber auch in unserem Piusseminar. Am 6. August 1939 wurde er hier in unserer Kirche zum Priester geweiht. Er wurde anschließend nach Österreich versetzt und übernahm dort im Sommer 1940 die Seelsorge in der Pfarrei Glöckelberg im Böhmerwald. Am 21. April 1941 wurde er wohl wegen seiner Äußerungen in der Predigt oder im Schulunterricht, verhaftet und ins Linzer Gefängnis gebracht. Nach sechs langen Wochen bangen Wartens im Gefängnis wurde P. Engelmar nach Dachau überführt.

Als Häftling, oder vielmehr als Nummer 26 147 lebte er auf dem Priesterblock fast vier Jahre bis zu seinem Tod in den Typhusbaracken des Lagers.

In seiner Sorge für die Mitmenschen hat P. Engelmar sich im Januar 1945 freiwillig als Pfleger für die Typhusbaracken gemeldet. Alle 20 Priester, 10 polnische und 10 deutsche, waren sich bewusst, welches Risiko sie für sich eingingen. Sie versuchten den Todkranken in den Todesbaracken wenigstens ein menschliches Sterben zu bereiten, so gut dies möglich war. In einer Umgebung von Hass und Gewalt antworteten sie in Liebe bis zum Tod. Am 2. März 1945 starb P. Engelmar dann selbst am Flecktyphus. Mithäftlinge sorgten dafür, dass seine Asche aus dem KZ herausgeschmuggelt werden konnte und dass P. Engelmar so letztlich in unserer Kirche beigesetzt werden konnte.

Wir leben in einer Zeit, in der die Neuevangelisierung vor allem in den Ländern nötig ist, in denen das Christentum einst stark war, aber wo in den letzten Jahrzehnten (und vielleicht auch schon länger) sehr viele Menschen nicht mehr zum Glauben an Christus finden. Die verbalen Gehässigkeiten, die sich viele Christen in der Zeit der Nazi-Diktatur von den braunen Parteigängern gefallen lassen mussten, sind ein klares Zeichen, dass die Wurzeln dieses Glaubensabfalls weiter zurückgehen als die letzten paar Jahrzehnte. Und so ist das Zeugnis, das Pater Engelmar Unzeitig uns hinterlassen hat, auch eine Ermutigung und eine Wegweisung für uns, die wir an der Neuevangelisierung unserer Heimat mitarbeiten wollen.

Drei Gedanken möchte ich mit Ihnen teilen: 1. Wer in Christus ist, ist eine neue Schöpfung; 2. Geradlinig den Glauben leben!; 3. Gelegenheiten beim Schopfe fassen!

Wer in Christus ist, ist eine neue Schöpfung

Mit Worten, die an Klarheit kaum zu überbieten sind, sagt Paulus im Neuen Testament: „Wenn jemand also in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. Aber das alles kommt von Gott!“ (2 Kor 5,17-18a) Es besteht kein Zweifel, dass in früheren Generationen das soziale Umfeld stark half, den Glauben zu bewahren. Wenn die allermeisten eines Dorfes in die Kirche gingen, da brauchte es schon einiges, da nicht mitzukommen. Manche dachten: „Wenn alle anderen die Kinder taufen lassen, dann mache ich es vielleicht lieber auch.“ All das hatte viele gute Seiten, denn wir sind nun einmal Sozialwesen, die auch von anderen auf ihrem Weg mitgetragen werden. Aber die Kehrseite war, dass viele einfach mtigeströmt sind, ohne eigene Glaubensüberzeugung. Und sobald der äußere soziale Druck wegfiel, gaben sie auch die Glaubenspraxis auf. Mehr als je zuvor ist es deshalb heute die Aufgabe der Christen, Menschen zu einer bewussten Glaubensentscheidung zu führen; ihnen zu helfen, eine tiefe persönliche, eigene Spiritualität zu entwickeln. Ein Glaube also, der nicht mehr auf der sozialen Umgebung beruht, sondern auf einer zutiefst persönlichen Beziehung zu Jesus Christus! Und so wird man dann auch eine neue Schöpfung! Alles ändert sich irgendwie: das, was mir wichtig ist; das was ich tun und lassen möchte; meine Wertmaßstäbe; der Blick, mit dem ich Ereignisse in der Welt und in meiner näheren Umgebung beurteile.

Wir können mit Sicherheit über Pater Engelmar sagen, dass er durch seine tiefe Christusliebe so eine neue Schöpfung geworden ist. Selbst im Konzentrationslager, so wird berichtet, hat er manchmal beinahe Zählappelle verschwitzt, weil er tief im Gebet vor dem Allerheiligsten in der Gefangenenkapelle versunken war. Weggefährten von Pater Engelmar bezeugen, dass er anfangs, als junger Seminarist, dem Naziregime in manchem sehr unkritisch gegenüberstand. Veranlasst war das natürlich durch seine Erfahrungen als Angehöriger einer Minderheit im Sudetenland, das nach dem 1. Weltkrieg zur Tschechoslowakei gehörte. Natürlich gab es da Hoffnungen, dass mit dem neuen Mann sich auch die Situation der eigenen Familie und Freunde, der eigenen Nachbarn, der eigenen Landsleute in dieser Minderheitensituation verbessern würde. Um so beachtlicher, dass er – als er an menschlicher Reife zunahm und sich seine Christusbeziehung immer mehr vertiefte – auch die Ereignisse in Europa immer klarer durchschaute. Er erlebte das, was der Apostel Paulus so beschreibt: „Also schätzen wir von jetzt an niemand mehr nur nach menschlichen Maßstäben ein.“ (2 Kor 5,16) Nein, der Maßstab war jetzt Christus, der Glaube, das Christentum. Und da konnte er deutlich das Teuflische hinter der Nazi-Ideologie erkennen! Neuevangelisierung ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie von Leuten durchgeführt wird, die jobmäßig nach einem klug ausgearbeiteten Plan Menschen erreichen wollen. Nichts gegen gute Planung und mitreißende Strategien! Ganz im Gegenteil. Aber das alles kann nur gelingen, wenn es von Menschen gelebt wird, die sich von der Liebe Christi gedrängt sehen, den Glauben weiterzugeben, weil sie auch am eigenen Leib erlebt haben, wie schön es ist, eine neue Schöpfung zu sein, von der Fülle des Lebens zu kosten, die Christus uns verheißen hat (Joh 10,10).

Geradlinig den Glauben leben

Im Evangelium lehrt Jesus über das Schwören. Und er endet mit den einfachen und doch so klaren Worten: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein sei ein Nein.“ (Mt 5,37) Das bedeutet authentisch sein, das geradlinig leben, von dem ich überzeugt bin. So braucht Pater Engelmar keine Sekunde nachdenken, ob er sich seelsorglich um französische Kriegsgefangene kümmern will. Das sind Christen, Katholiken, die einen Priester brauchen, für die Heilige Messe, für den Zuspruch, für den Hirtendienst. Ob das bei anderen anstößt oder nicht, die Frage stellt sich nicht für ihn. Er ist Priester geworden, einer, der den Hirtendienst Christi teilt. Seine Reaktion steht fest, auch wenn sie für ihn negative Konsequenzen haben kann. Bei der Weihe war er mehrmals gefragt worden: Bist du dazu bereit? Und immer wieder hatte er geantwortet: Adsum! Ich bin bereit. Und nun lebte er es. Sein Ja war ein Ja! Und seine Absage an den Bösen, blieb ein Nein, auch den Nazis gegenüber. Er war kein Mensch, der den Konflikt suchte, er war nicht der moderne Typ von politischem Aktivist, der sich vielleicht auch selber ein wenig darin gefällt, anzuecken und herauszufordern. Nein, das war nicht seine Persönlichkeit. Aber da, wo er von der Situation heraus gezwungen war, Stellung zu beziehen, Flagge zu zeigen, da blieb sein Ja ein Ja und sein Nein ein Nein. Ein geradliniger Mensch, der zu den Werten des Evangeliums steht, auch wenn es ihm an den Kragen geht! Und auch hier lehrt uns Pater Engelmar wieder Wesentliches für die Neuevangelisierung: die Menschen, die in Christus eine neue Schöpfung geworden sind, müssen geradlinig ihren Glauben leben.

Nicht ostentativ, nicht durch ein Sich–Herausstellen; das nimmt heute sowieso keiner ab. Aber durch ein konsequentes Leben des Glaubens in großen und kleinen Dingen. Warum z.B. nicht völlig unaufdringlich auch im Urlaub den Freunden sagen: morgen kann ich erst am Nachmittag mit zum Sport kommen, ich möchte noch vormittags ins Nachbardorf zum Gottesdienst. Ohne Vorwurf an die anderen, ohne Entschuldigung des eigenen Verhaltens, einfach ein geradliniges Leben meines Glaubens. Das wirkt mehr als vieles andere. Natürlich: auch wir werden immer mehr erleben, dass dieses geradlinige Leben des Glaubens Widerstand hervorruft und sehr negative Konsequenzen für uns haben kann: Wie lange wird es so einer christlichen Krankenschwester in unseren Ländern noch möglich sein, sich aufgrund ihres Glaubens zu weigern, an einer Abtreibung mitzuwirken? Wie lange kann ein Christ noch Arzt sein in unseren Ländern, wenn er nicht bereit ist, Eltern, die ein Kind mit Downsyndrom erwarten, die Abtreibung zu empfehlen und dadurch Schadensersatzforderungen ausgesetzt wird, die seine Existenz ruinieren können? Die Geradlinigkeit des Lebens aus dem Glauben hat einen Preis, es ist der Preis der Nachfolge. So wie der großartige Nazigegner und evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer betont hat: „Es gibt keine Nachfolge zum Billigtarif!“

Gelegenheiten beim Schopfe packen

Pater Engelmar schloss sich den Mariannhiller Missionaren an, weil er in die Mission wollte, in ferne Länder, um dort den Glauben zu verkünden, die Kirche einzupflanzen, den Menschen ganzheitlich durch Schulen, Kliniken und Erziehung zu helfen. Fünfeinhalb Jahre war er Priester, geweiht am 6. August 1939 kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Den größten Teil seines Lebens als Priester war er erst im Gefängnis und dann im Konzentrationslager Dachau. Ein Leben, das seinen Sinn aufgrund der Umstände nicht ausleben konnte? Ich glaube nicht! Meine eigene Lieblingsfigur in der Heiligen Schrift ist der Diakon und Evangelist Philip, dem wir vor allem im achten Kapitel der Apostelgeschichte begegnen. Nach der Hinrichtung des Stefanus gab es eine systematische Verfolgung der hellenistischen Christen. Aufgrund dieser Verfolgung wurde die Gemeinde zerstreut! Philip kam als Flüchtling nach Samaria und packte die Gelegenheit beim Schopf, dort das Evangelium zu verkünden! Und seine Predigt fiel auf fruchtbaren Boden! Auf die gleiche Gegend, auf die die Jünger Jesu einmal das Feuer der Vernichtung herabwünschen wollten, als Jesus und ihnen die Aufnahme verweigert wurde, auf diese gleiche Gegend fiel nun das Feuer des Heiligen Geistes! Es war nie der Plan des Philip, dorthin zu gehen; die Umstände der Flucht führten ihn dorthin; Zufälle, die er als etwas von Gott Gesandtes interpretierte, als Gelegenheiten, die Gott ihm bot, um den Glauben zu verkünden.

Pater Engelmar endete im Konzentrationslager Dachau. Auch dort verfiel er nicht in die Depression. ‚Mein Leben ist vertan, ich wollte so viel tun als Missionar und nun sitze ich in diesem gottverlassenen Lager, in dem das Böse regiert und wo wir leicht glauben könnten, von Gott und der Welt in unserem Leiden verlassen zu sein.‘ Nur wenig Konkretes ist uns aus seinem Lagerleben bekannt. Aber dazu gehört, wie er seine missionarische Berufung auch dort voll und authentisch lebte. Er lernte sogar russisch, um mit einem russischen Gefangenen, einem Ingenieur und Kommunist, in eine tiefere Beziehung zu kommen. Dieser Gefangene war so vom Zeugnis des Pater Engelmar beeindruckt, berührt, dass er den Glauben annahm und nach der Befreiung katholisch wurde. Ich bin sicher, es gab noch mehr solcher Beispiele.

Möglichkeit zum Zeugnis

Das ist eine so wichtige Botschaft an uns: die Zeitumstände können günstig oder ungünstig sein; wir können als Christen frei unseren Glauben leben oder verfolgt sein; wir können unsere Missionsarbeit planen oder wir können nur da wo wir sind, in aller Bescheidenheit ein Zeugnis geben; all das ist zweitrangig! Wenn ich in Christus eine neue Schöpfung bin und wenn ich geradlinig meinen Glauben leben will, dann ist jeder Umstand, in dem ich leben und auch leiden muss, zugleich eine Möglichkeit, für den Glauben ein Zeugnis abzulegen, ein Missionar zu sein. Pater Engelmar war ein echter Missionar im Konzentrationslager durch seine aktiven Bemühungen auch dort den Glauben weiterzugeben, wie auch durch sein Beispiel der Nächstenliebe, als er sein Leben riskierte und letztlich auch aufopferte, um den Sterbenden im Typhusblock in den letzten Stunden nahe zu sein, als Mensch, als Christ , als Priester und auch als Missionar! Deswegen dürfen wir aufgrund des scheinbaren Niedergangs des Glaubens in Europa nicht in Depression verfallen. Wir leben nur einmal, wir leben nur in dieser Zeit! Und heute müssen wir die Gelegenheiten ergreifen, die sich bieten, um ein Zeugnis unseres Glaubens zu geben. So werden auch wir zu Agenten der Neuevangelisierung. Möge Pater Engelmar durch sein Vorbild, durch seine Fürbitte und auch indem er sein Leiden mit dem Leiden Christi verband, heilswirksam werden.

„Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh!“

Liebe Schwestern und Brüder,

dieses Wort stammt von P. Engelmar aus seinem letzten Brief aus dem KZ.

Es ist enorm, dass ein Mann in der Grausamkeit und dem Wahnsinn eines Konzentrationslagers solch tiefe Worte findet. Daraus spricht tiefes Vertrauen! P. Engelmar muss einen unwahrscheinlich starken Glauben an den barmherzigen und gütigen Gott gehabt haben, sonst wäre dies nicht möglich gewesen.

In seinen Briefen wird dies immer wieder deutlich:

„Gott lenkt alles in wunderbarer Weisheit. Wir wissen nur nicht oft sofort, wozu alles gut ist.“ Oder:

„Der Gedanke an Gottes Wille, der ja reinste Güte und Liebe ist, ist ja die stärkste und oft wirklich einzige Kraftquelle.“

Engelmar war überzeugt: Gott ist da! Auch hier in der Grausamkeit des KZ. Aus dem Bewusstsein dieser Nähe – der Liebe Gottes – hat er sein Priestersein gelebt.

Gott war seine Kraft für so vieles, was er im KZ getan hat:

Die Sorge um die Hungernden, mit denen er geteilt hat; die Sterbenden, denen er Beistand und die Sakramente spendete; die russischen Mithäftlinge, denen er den Glauben verkündet hat und schließlich die Pflege der Kranken und Sterbenden in der Typhusbaracke – sein sicheres Todesurteil!

In der grausamen Realität des KZ ließ er sich seinen Glauben nicht nehmen, das Vertrauen in seinen barmherzigen Gott nicht rauben – von nichts und niemanden! So konnte er Gottes Liebe und Barmherzigkeit an die, die es am nötigsten hatten, weitergeben.

P. Engelmar ist ein großartiges Vorbild für mich. Sein Wort „Liebe verdoppelt die Kräfte“ war für ihn ein Grundsatz, den er gelebt hat. In seiner tiefen Gottesliebe liegt die Quelle seiner Liebe zum Nächsten. In seiner tiefen Gottverbundenheit liegt die Quelle seines Wirkens. In seinem tiefen Gottvertrauen liegt die Quelle seines Lebens und seiner Freude.

P. Engelmar ist ein Beispiel der grenzenlosen Liebe Gottes. Eine Liebe, die jedem gilt. Eine Liebe, die an jedem Ort gelebt werden kann – egal unter welchen Umständen. Ja noch mehr: die sogar gelebt werden MUSS, vor allem in unserer jetzigen Zeit, in der Verfolgung, Mord und Terror Angst und Schrecken verbreitet.

Die Liebe leben – genau das ist doch der Auftrag des Evangeliums. Der Auftrag Christi selbst, der in seinem Evangelium aufscheint und gegenwärtig ist. Der in einem solch gelebten Zeugnis anwesend ist. Der in seinen Heiligen aufleuchtet. Es ist der Auftrag, die Liebe Gottes zu ergreifen, aus ihr zu Leben und sie weiterzugeben. Zu der Zeit und an dem Ort, wo ich lebe!

P. Engelmar – bitte für uns! AMEN.

Predigt Pater Frans Lenssen CMM in Glöckelberg 2015

Ansprache von Pater Frans Lenssen bei der alljährlichen Fußwallfahrt nach Glöckelberg, dem Ort, wo Pater Engelmar verhaftet wurde

Wir befinden uns an diesem Tag mitten im Jahr 2015. Es ist ein Jahr, in dem uns auf vielerlei Art und Weise, durch zahlreiche Gedenkfeiern und in den Medien in Erinnerung gerufen wird, dass vor 70 Jahren – 1945 – die Ungeheuerlichkeiten des Zweiten Weltkriegs ein Ende fanden. Auch unser Treffen anlässlich der jährlichen Wallfahrt nach Glöckelberg steht in diesem Zeichen. Am vergangenen 2. März jährte sich der Todestag des ehemaligen Pfarrers dieser Pfarrei, Pater Engelmar Unzeitig, zum 70sten Mal. Er starb ja, wie bekannt, am 2. März 1945 im KZ Dachau, wo er sich freiwillig für die Pflege typhuskranker Priesterhäftlinge gemeldet hatte. Sie waren in einem Block untergebracht, aus dem er, wie er doch annehmen musste, nicht mehr lebend herauskommen würde. Heute gedenken wir des Dieners Gottes Engelmar und der unzähligen Opfer jener gottlosen Zeit und ihrer Führer.

Leidensweg angetreten

Wir sind hier in Glöckelberg in derselben Kirche versammelt, wo der Diener Gottes Engelmar als Pfarrer oft die Eucharistie gefeiert hat. Von Glöckelberg aus hat er 1941 seinen Leidensweg zum KZ-Lager Dachau angetreten. 70 Jahre sind es her, dass er unter menschenunwürdigen Umständen im Alter von 34 Jahren ums Leben kam. Zu derselben Zeit, vor 70 Jahren, begann ich als 14-Jähriger meine Ausbildung als Missionar im Internat der Mariannhiller im niederländischen St. Paul. Als Pater Engelmar starb, war ich also Mitglied derselben Gemeinschaft wie er und sein Zeitgenosse. Diese beiden Umstände stellen so etwas wie eine persönliche Verbindung zwischen ihm und mir her. Als ich dann zur weiteren Ausbildung in das Mariannhiller Priesterseminar in Würzburg eintrat, kam Pater Engelmar mir noch näher. Dort erfuhren wir nämlich, dass die Urne mit seiner Asche, die ein Mitgefangener aus dem Lager geschmuggelt hatte, sich in der Mariannhiller Grabanlage auf dem Friedhof in Würzburg befände.

Zehn Jahre später, am 20. November 1968 – damals war ich Erzieher im Piusseminar – wurde ich Zeuge jener eindrucksvollen Feier, in der die besagte Urne vom Friedhof in die Seminarkirche überführt und in einer Seitenkapelle beigesetzt wurde. Mir oblag es, den liturgischen Ablauf dieser Feier vorzubereiten. Selbstverständlich wurde ich dabei tiefer mit dem Leben und Schicksal meines Ordensbruders vertraut. Was mich dann bei der Feier am meisten beeindruckte, war die Anwesenheit von 15 noch lebenden Mithäftlingen Pater Engelmars. Zu ihnen zählte im besonderen Pfarrer Richard Schneider, denn seiner Initiative war es zu verdanken, dass die Leiche Pater Engelmars einzeln und nicht kollektiv verbrannt wurde. Er organisierte dieses gewagte Unternehmen, indem er sich eines ganzen Netzwerks von zuverlässigen Mittelspersonen bediente. Es gelang ihm. Nach der Verbrennung bekam er das Säckchen mit der Asche Pater Engelmars. Daraufhin sann er auf einen Weg, einen abenteuerlichen, dieses Säckchen sicher aus dem Lager zu schmuggeln. Auch das gelang ihm. Die Asche kam, wie gesagt, nach Würzburg und wurde dort am Karfreitag 1945 in der Mariannhiller Grabanlage auf dem Friedhof in einer Urne aufbewahrt.

Er war ein Held der Caritas

Bei der feierlichen Beisetzung 1968 sagte einer der ehemaligen Mithäftlinge Pater Engelmars – der Benediktiner Pater Sales Hess, dass er und die anderen ehemaligen Priesterhäftlinge von Dachau gekommen seien, um Zeugnis zu geben von einem Heroismus, der das allgemein menschliche Maß überstiegen hätte. „Pater Engelmar,“ so führte Pater Sales aus, „war nicht irgendeiner der fast 3000 in Dachau inhaftierten Geistlichen; einer, der in einer Welt ohne Gott sein Leben für Christus hingab. Ja, das war er auch, aber er war mehr. Er war ein Held der Caritas und des apostolischen Eifers.“ Bei jener Feier in Würzburg gab es auch mehrere Stimmen, die sich für einen baldigen Seligsprechungsprozess aussprachen.

Die Sache kommt ins Rollen

Es vergingen 22 Jahre, bis auf dem Generalkapitel der Mariannhiller Missionare 1990 in Quebec, Kanada, an dem ich teilnahm, dieser Wunsch erneut zur Sprache kam. Die neugewählte Generalleitung bekam den Auftrag, zu untersuchen, welche Möglichkeiten es für eine eventuelle Seligsprechung Pater Engelmars gäbe und welche Aussicht auf eine solche bestünde. Ich hatte damals alle geschäftlichen Angelegenheiten zwischen unserer Kongregation und dem Vatikan zu regeln, und so habe ich bei der zuständigen Abteilung ein Informationsgespräch beantragt. Ich legte eine Zusammenfassung von Pater Engelmars Leben vor und ließ weitere Literatur, wie z. B. seine von Pater Adalbert verfasste Biografie, zurück. Beim nächsten Besuch war ich ganz überrascht von der begeisterten Reaktion des zuständigen Sachbearbeiters. Er meinte, der angestrebte Seligsprechungsprozess für Pater Engelmar sei eine ausgezeichnete Sache und er empfahl uns sehr, ein entsprechendes Gesuch einzureichen. Daraufhin wurde Pater Wolfgang Zürrlein, Mitglied des Generalrats, vom Generalsuperior zum Postulator ernannt. Pater Wolfgang brachte die Sache ins Rollen.

Das war 1990. Und wie steht es heute, 25 Jahre später um den Seligsprechungsprozess? Nun, wie üblich bei solchen Gerichtsverfahren, wo es um die vorschriftsmäßige Prüfung der Echtheit und Genauigkeit aller Einzelheiten geht, hat es auch in diesem Fall unvorhergesehene Schwierigkeiten gegeben, Rückschläge, infolge derer der Prozess zeitweilig ins Stocken geriet.

Es musste geklärt werden, unter welchem Titel Pater Engelmar seliggesprochen werden solle. Man entschied sich für „Bekenner“ und reichte bei der zuständigen Kongregation einen entsprechenden Antrag ein. Pater Engelmar wurde zum „verehrungswürdigen Diener Gottes“ erklärt, d.h., dass sein heroischer Tugendgrad anerkannt und bestätigt und diese Nachricht im vatikanischen Mitteilungsblatt, dem Osservatore Romano, veröffentlicht wurde. Als aber die Unterlagen des für eine Seligsprechung erforderlichen Wunders eingereicht wurden – in diesem Fall eine auf natürliche Weise nicht zu erklärende Heilung eines Krebskranken – gab es einen Einwand. Das sog. Wunder wurde nicht anerkannt. Warum nicht? Weil einer – nur einer – aus der eigens einberufenen Prüfungskommission der sieben Mediziner, allesamt Experten ihres Fachs, die Meinung vertrat, dass „eine natürliche Heilung des betreffenden Kranken nicht auszuschliessen sei“. Die Seligsprechung Pater Engelmars als Bekenner war damit blockiert. Der Prozess ruhte bis auf weiteres.

Die Ampeln stehen auf „Grün“

Belebt wurde das Verfahren erst wieder, als man beschloss, Pater Engelmar als Märtyrer seligzusprechen, was schon einmal die Absicht gewesen war. Ein entsprechendes Gesuch wurde eingereicht und der Prozess neu aufgerollt. Die noch lebenden Augenzeugen wurden jetzt über sein Martyrium befragt. Wieder verging eine geraume Zeit. Aber dann schalteten die „Ampeln“ plötzlich auf Grün. Im Februar dieses Jahres (2015) traf die freudige Nachricht ein, dass eine Sitzung während der Vollversammlung der zuständigen vatikanischen Behörde den Beschluss gefasst habe, das Martyrium Pater Engelmars anzuerkennen und zu bestätigen.

Mit dieser jüngsten Entwicklung tritt nun der Seligsprechungsprozess in seine letzte Phase ein, das heißt, er bedarf nur noch der Gutheißung der Kardinäle und der zustimmenden Unterschrift des Hl. Vaters. Bis hierher sind wir im Bilde. Aber wir wissen nicht, welcher Fortschritt seitdem gemacht worden ist. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass der Diener Gottes Engelmar Unzeitig im nächsten Jahr seliggesprochen wird.

Damit steht unser verehrenswürdiger Pater Engelmar heute, siebzig Jahre nach seinem Tod und siebzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, vor uns als eine Ikone der heroischen Liebe zu Gott und den Menschen. Dieses Bild kommt in seinem letzten Brief aus dem KZ Dachau so richtig zum Leuchten. Er richtete ihn direkt an seine leibliche Schwester, Schwester Adelhilde von den Missionsschwestern vom Kostbaren Blut. Nichts, so versichert er ihr, könne ihm seine Gelassenheit rauben. Wörtlich: „Wir alle können uns sehr wohl in Gottes Hand geborgen fühlen. Denn wie der hl. Paulus sagt: ‚Wir mögen leben oder sterben, wir sind des Herrn!‘ All unser Wollen und Können, was ist es anders als eine Gnade, die uns trägt und leitet. So können wir seine Ehre mehren, wenn wir seiner Gnade kein Hindernis entgegensetzen und uns restlos seinem Willen hingeben. Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Menschen Herz gedrungen, was Gott für die bereithält, die ihn lieben. Freilich trifft auch sie die rauhe Diesseitswirklichkeit mit all dem Hasten und Jagen und dem ungestümen Wünschen und Fordern, mit ihrer Zwietracht und ihrem Hass wie ein beißender Frost. Aber die Strahlen der wärmenden Sonne der Liebe des Vaters sind doch stärker und werden triumphieren. Denn unsterblich ist das Gute, und der Sieg muss Gottes bleiben, wenn es auch manchmal nutzlos erscheint, die Liebe zu verbreiten in der Welt. Wir wollen weiter alles tun und aufopfern, dass Liebe und Friede bald wieder herrschen mögen.“

Zeugnis auch für uns

Das ist das letzte Zeugnis eines Mannes, von dem Jesus sagt: „Niemand hat größere Liebe, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde.“ (Joh 15,13) Ein Zeugnis, das als Herausforderung an uns in unserer jetzigen Zeit genau so aktuell ist wie vor 70 Jahren.

Möge der Heilige Geist die Seligsprechung des Märtyrers Engemar Unzeitig vorantreiben, damit wir bald öffentlich beten dürfen: „Seliger Engelmar, bitte für uns.“

Predigt von Kardinal Vincent Nichols, Erzbischof von Westminster, London,

am 2. Februar 2016 (Fest der Darstellung des Herrn)

zum Abschluss des Jahres des Ordenslebens und im Rahmen des Jahres der Barmherzigkeit

Vor einigen Jahren fuhr ich im Rahmen meines Sommerurlaubs nach München, um einen Reisegefährten am Flughafen abzusetzen. Als wir den Flughafen wieder verlieβen, sahen wir einen Wegweiser nach Dachau. So fuhren wir los, obwohl es wirklich nicht in ein Ferienprogramm passt.

Unterwegs verfuhr ich mich etwas. So fragte ich einen Elektriker, der an einer Hauswand arbeitete, nach dem Weg. Er erklärte ihn in ausgezeichnetem Englisch und wünschte uns noch einen schönen Tag.

Dachau hat uns erschüttert. Es machte mich sprachlos. Dieses Gefühl von Schock und Sprachlosigkeit kam mir wieder in Erinnerung als ich vor einigen Tagen las, daβ Papst Franziskus P. Unzeitig zum Märtyrer erklärt hat, umgebracht aus Glaubenshass. Schon 2009 hatte Papst Benedikt ihn als verehrungswürdig erklärt.

Ich hatte nie von ihm gehört: P. Engelmar Unzeitig. Er war ein junger Priester mit Wurzeln in der Tschechei, der in Deutschland und Österreich arbeitete. Er war ein Mitglied der kleinen Mariannhiller Missionsgesellschaft, ein Ordensmann, und deshalb einer, an den es sich an diesem heutigen Fest zu erinnern lohnt.

P. Unzeitig wurde von den Nazis am 21. April 1941 verhaftet. Sein Verbrechen? Er predigte von der Kanzel gegen das Dritte Reich, besonders gegen dessen Behandlung der Juden. Er ermutigte seine Gemeinde Gott treu zu sein und den Lügen des Nazi-Regimes zu widerstehen.

Ich las, daβ P. Unzeitig zur Strafe ins Konzentrationslager Dachau gesandt wurde. Deswegen kam mir wieder dieses Gefühl von Schock und Sprachlosigkeit. Was ich nicht wuβte war, daβ Dachau das „gröβte Kloster der Welt“ genannt wurde, wegen der hohen Zahl von Geistlichen, die hinter dem Stacheldraht eingesperrt waren. Das Lager hatte etwa 2700 Geistliche, von denen etwa 95 % polnische Priester waren. Es war eine der gröβten Behausungen von Priestern in der Geschichte der Kirche, deshalb der Ausdruck „gröβtes Kloster.“

Pater Unzeitig war gerade 30 Jahre alt und zwei Jahre Priester als er nach Dachau geschickt wurde. Geboren im Sudetenland im Jahr 1911, ging er mit 18 Jahren ins Priesterseminar der Mariannhiller Missionare, deren Motto ist: „Wenn niemand geht, dann gehe ich.“

Auch als Gefangener im Lager setzte Pater Unzeitig sein Leben des Gebetes und des Studiums fort. Er lernte Russisch um den Gefangenen aus dem Osten helfen zu können. Er hatte den Ruf eines Heiligen.

Die Behandlung der Pastoren und Priester in Dachau war willkürlich: manchmal durften sie die Heilige Messe feiern (wenn ich mich recht erinnere, gab es sogar eine Priesterweihe im Lager); dann wieder wurden sie schlimm miβhandelt. An einem Karfreitag wurden Dutzende von Priestern zur Folter ausgewählt als eine perverse Art dieses Heiligen Tages zu gedenken.

Für einige Jahre blieb P. Unzeitig bei relativ stabiler Gesundheit, trotz der schlechten Behandlung, die er erfuhr. Als aber im Jahr 1945 eine Typhusepidemie durchs Lager fegte, erklärten er und 19 weitere Priester sich bereit das zu tun, was sonst niemand tun wollte: sich um die Kranken und Sterbenden in den Typhusbarracken zu sorgen, fast schon ein Todesurteil. Er und seine Gefährten verbrachten die Tage mit dem Waschen und Pflegen der Kranken, sie beteten mit ihnen und versahen sie mit den Sterbesakramenten.

Trotz dieser trostlosen Umstände fand P. Unzeitig seine Hoffnung und Freude in seinem Glauben, was man in seinen Briefen aus dem Lager an seine Schwester erkennen kann. Er schrieb: Was immer wir tun, was immer wir wollen, es ist einfach nur Gnade die uns trägt und führt. Gottes allmächtige Gnade hilft uns Hindernisse zu überwinden. Liebe verdoppelt unsere Kraft, macht uns erfinderisch, zufrieden und innerlich frei. Wenn Menschen doch verstehen würden, was Gott für die bereithält, die ihn lieben.

In einem anderen Brief schrieb er: Sogar hinter den härtesten Opfern und schlimmsten Leiden steht Gott mit seiner väterlichen Liebe, der sich mit dem guten Willen seiner Kinder begnügt und ihnen und anderen Glück schenkt.

P. Unzeitig erlag schlieβlich am 2 März 1945 dem Typhusfieber, so wie auch – bis auf zwei – alle anderen Priester, die sich freiwillig gemeldet hatten. Vielleicht ist er mit den Worten aus dem heutigen Evangelium auf seinen Lippen gestorben: „Nun läβst Du Herr Deinen Diener in Frieden scheiden“ (Lk 22,30). Dachau wurde von amerikanischen Soldaten nur wenige Wochen später befreit.

Ich wollte mit Euch heute diese Geschichte teilen, denn sie spricht so ausdrucksvoll von der Schönheit und der Groβzügigkeit, die das Herz des gottgeweihten Lebens ist. Wenn P. Unzeitig vom Einfluss der Liebe Gottes in seinem Leben schreibt, dann bringt er eine Saite in unseren eigenen Herzen zum Klingen.

Ich wollte diese Geschichte auch deshalb erzählen, weil sie ein wunderbares Bild von aktiver Barmherzigkeit ist. Wenn wir die Gröβe von Gottes Barmherzigkeit weiter ergründen wollen, tun wir gut daran uns zu erinnern, daβ die ausdruckvollste Definition von Barmherzigkeit nicht in Worten, sondern in Taten gefunden wird. Wir denken an die Aktion Gottes in Jesus, der bereit war alles zu geben, damit wir leben. Wir sehen die Tat von P. Unzeitig, der bereitwillig und freudig seine Kraft, seine Anstrengungen, sein Leben für andere gab. In ihm sehen wir die geistlichen Werke der Barmherzigkeit: sein Gebet mit den Kranken, um ihnen Trost und geistlichen Beistand zu schenken. Wir sehen auch die leiblichen Werke der Barmherzigkeit: die Pflege der Kranken und Sterbenden, ihre Verpflegung und später auch –so gut wie die Umstände es zulieβen – ihnen einen würdigen Abschied aus diesem Leben zu geben. Sicherlich gab sein Leben, wie das so vieler anderer Ordensleute, z.B. der Heiligen Edith Stein, Zeugnis für das geistliche Werk der Vergebung und des geduldigen Ertragens derer, die ihnen Böses taten. Was für Beispiele für uns heute, die in so groβem Komfort leben und doch so oft jammern.

Ihr hervorragendes Zeugnis hilft uns über die Taten so vieler Menschen in unserem eigenen Leben und in dem unserer Gemeinschaften nachzudenken, die tagein tagaus andere Menschen an die erste Stelle setzen. Jedes Mal, wenn einer von uns eine extra Anstrengung auf sich nimmt, auch in Müdigkeit neue Tatkraft aufbringt, um aus Liebe auf die Not der anderen zu reagieren, geben wir ein Bild der Barmherzigkeit, die unsere Welt schöner macht.

Ich danke Gott für die Barmherzigkeit, die Euer aller Leben erfüllt, das so vieler Ordensmänner und Ordensfrauen, die heute ihr Leben Gott aufs Neue weihen. Ich grüße besonders die, die ein Jubiläum feiern: silbernes, goldenes oder diamantenes. Danke, danke für Eure Treue, für die Schönheit Eurer Seelen und für das Licht des Herrn, dem Ihr „durch dick und dünn“ treu geblieben seid und das sich in Eurem Leben widerspiegelt. Er gibt uns die Barmherzigkeit Gottes in vollem Maβ. Möge jeder von uns diese an andere weitergeben, als gottgeweihte Botschafter der Barmherzigkeit in unserer heutigen Welt.

(Übersetzung aus dem englischen Original: P.Christoph Eisentraut CMM und P. Ivo Burkhardt CMM)

Bischof em. Paul-Werner Scheele

11. Sonntag i.J. (C), 12. Juni 2016
Pater Engelmar Unzeitig – Gedenken im Hohen Dom
2 Sam 12,7-10.13 / Gal 2,16, 19-21 / Lk 7,36-60

Zur Nummer erniedrigt

Am 3. Juni 1941 wurde der Mariannhiller Pater Engelmar Unzeitig ins KZ Dachau geliefert. Die gesamte Kleidung wurde ihm genommen. Vom Kopf bis zu den Füßen wurden ihm die Haare geschnitten. Er erhielt die Lagernummer 26 147. Was das bedeutete machte der SS-Kommandant den Neuankömmlingen klar. Er sagte ihnen: „Ihr habt aufgehört, Menschen zu sein. Ihr seid aus der menschlichen Gemeinschaft ausgestoßen. Ihr seid jetzt nur noch Nummern. Wenn eine Nummer ausfällt, kann sie von einem anderen getragen werden.“ Im Blick auf ihre Lebenserwartung machte ein Blockältester den Häftlingen klar: „Setzt euch keine Flausen ins Hirn, als ob ihr bald wieder entlassen würdet. Der normale Weg in die Freiheit geht durch den Kamin“, also durchs Krematorium. In der Tat war das der Weg, der Pater Engelmar bevorstand. Er ging ihn als Märtyrer. Mochten Menschen ihn erniedrigen, ihn schwächen und verletzen, ihn elend sterben lassen, Gott hat ihn zu seinem Zeugen berufen, zu einem Helfer, der uns allen beistehen kann.

Zum Zeugen berufen

Zeuge des liebenden Vaters

Mit Leib und Seele ist Pater Engelmar Zeuge des liebenden Vaters. Das war unsagbar schwer angesichts dessen, was er Tag für Tag, Jahr um Jahr erlebt. Gelegentlich schreibt er, man müsse „wahnsinnig werden bei der Not des Leibes und der Seele.“ Wie der Mithäftling Pater Sales Hess formulierte erschien Dachau wie „eine Welt ohne Gott“. Gleichwohl hier Gottes Gegenwart, Gottes Wirken, ja Gottes Liebe bekennen ging über die menschlichen Kräfte hinaus. Es war nur durch Gottes Gnade möglich. Sie schenkte Engelmar ein ungebrochenes Gottvertrauen. Schon im Linzer Gefängnis hielt er fest: „Wir sind allezeit in Gottes Hand und er weiß alles zum Guten zu lenken.“ In Dachau ergänzt er: „Gott lenkt alles mit wunderbarer Weisheit. Wir wissen nur nicht sofort, wozu alles gut ist.“ Für Engelmar sind „die Zeitereignisse… Aufrufe Gottes, dass wir unser ganzes Hoffen auf ihn setzten und unser ganzes Sinnen und Streben nach seinem Willen gestalten und ihn ob seiner großen Liebe zu uns preisen in Freud und Leid.“

Zum Zeugnis für den liebenden Vater gehört die Bereitschaft, alles anzunehmen, was er uns zuweist. Sie lässt ihn kurz vor seinem Tod festhalten: Wir wollen „weiter aus Gottes Hand annehmen, was er in Zukunft schicken wird und ihm alles aufopfern.“ In den Leiden und Nöten, die er durchmachen muss, erkennt er einen tiefen Sinn. Das deutet er in einem Brief an seine Lieben an, in dem er schreibt: „Wir sollen wohl die Friedlosigkeit in der Welt für die anderen mitfühlen und miterleben und ihnen zum wahren Frieden verhelfen. Dann wundert es uns nicht, wenn Gott uns manches aus der Hand nimmt, was uns lieb und teuer war. Doch was geht über das Glück, Gott selbst in unserem Herzen zu wissen, der ja die Quelle aller Seligkeit und allen Friedens ist.“

Zeuge der Christusgemeinschaft

In allem, was Pater Engelmar tun darf, wie in dem, was er zu leiden hat, weiß er sich mit Christus verbunden. Dabei hilft ihm die Erinnerung an die dreißig Jahre, in denen der Erlöser in der Verborgenheit gelebt hat. Er lässt seine Schwester wissen: „Ich denke mir halt immer wieder, wenn Christus, der vom Himmel gekommen war, um die Welt zum Vater zurückzuführen, dreißig Jahre lang in der Verborgenheit das Leben eines Arbeiters geführt (hat), so wird er auch unsere nicht berufliche Tätigkeit in Gnaden für seine Absichten annehmen!“ Die drei Jahrzehnte jenseits der Öffentlichkeit waren mehr als eine Zeit der Vorbereitung, sie gehören wesentlich zu seinem Erlösungswerk. In ihrem Licht sieht der Häftling das, was ihm in den Grenzen des Konzentrationslagers möglich ist. Er will es mit und in Christus tun.

Alles soll „der Heimholung der Welt ins Vaterhaus Gottes“ dienen. Inmitten aller Nöte freut sich Engelmar darüber, dass er dem Erlöser helfen darf bei der „Rettung der Seelen“ als „Kronzeuge seiner Wundermacht.“ Verhalten deutet er an, „dass er, wie Paulus sagt, ergänzen kann was an den Leiden Christi noch mangelt.“

Engelmar erklärt sich „zu jedem von Gott geforderten Opfer bereit. Wenn nur seine Ehre und das Heil der Seelen immer mehr gefördert werde“. Er ist bereit, Christus bis in den Tod hinein nachzufolgen.

Zeuge der Christusnachfolge

Sein Ziel ist es, „gleichsam ein zweiter Christus, d. h. ein solcher Seelenhirt wie ER, zu werden (wovon der hl. Paulus spricht).“ Er weiß, dass dazu „ein weiter Weg“ zu bewältigen ist. Deshalb gilt es, „jeden Tag versuchen, Christus ähnlicher zu werden und dadurch auch andere emporzureißen.“

Zum Höhepunkt dieses Bemühens kommt es kurz vor dem Ende des Krieges. Manche Ereignisse nähren die Hoffnung der Häftlinge auf ein Ende ihrer KZ-Zeit. Da bricht Ende 1944 eine Typhusepidemie aus. „Schutzlos ihrer Krankheit ausgeliefert sterben die Kranken wie die Fliegen. Eine Lagerstatistik weist einen Tagesdurchschnitt von mehr als hundert Toten aus.“ Als man sich seitens der Lagerleitung nicht mehr zu helfen wusste, suchte man unter den Häftlingen freiwillige Helfer. Jedem war klar, dass man damit sein Leben riskierte. „Jeder der sich zum Krankendienst in den verseuchten Baracken meldete, durfte nicht mehr auf den Block zurückkehren. Für ihn gab es keinen Gottesdienst mehr. Drüben bei den armen Invaliden wartete Arbeit, unangenehmster Krankendienst… Dazu die ständige Ansteckungsgefahr in den überfüllten Baracken, wo alles krank darniederlag… Mit neunzig Prozent Gewissheit konnte unter den gegebenen Umständen jeder Freiwillige mit seinem Tod rechnen.“ Gleichwohl meldeten sich zwanzig Priester für diesen Einsatz. Nur zwei von ihnen überlebten.

Am Morgen des 2. März 1945 wurde Pater Engelmar heimgerufen. Durch sein Leben, Leiden und Sterben war er ein begnadeter Zeuge der Worte Jesu: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Joh 15,13). Amen.

Ich nehme an, wir sind uns alle einig darüber, dass eine Gedenkfeier für Pater Engelmar nicht nur eine nostalgische Übung ist, sondern immer wieder neu, eine Herausforderung ist, unser eigenes Gewissen zu erforschen.

In einem seiner Briefe aus Dachau schreibt Pater Engelmar: „Es erschüttert einen oft, wenn man sieht und hört, wie die Menschen, die man trifft, trotz der Heimsuchungen, mit denen Gott an ihr Herzenskämmerlein anklopft und sie vom Seelenschlafe aufwecken will, weiter verstockt und verblendet dahinleben und eher verstockter und verbitterter werden. Andererseits erkennt man immer wieder, wie nach den Lehren unserer heiligen Religion, all die Rätsel und Schwierigkeiten, die anderen so zu schaffen machen, so schön gelöst werden und uns so viel Trost und Freude zuteilwird.“

Fast ist man versucht, wenn man diese Worte hört, den harten Hintergrund des Lebens oder Überlebens im KZ zu vergessen, vielleicht kommen sie einem etwas weltfremd vor. Aber gerade in seinem Leben, im grausamen Alltag des KZ empfand Pater Engelmar den Trost und die Freude seines Glaubens, und gerade diesen Glauben wollte er ja verkünden. Er war Mariannhiller geworden, weil er als Missionar in die Welt hinausgehen wollte. Und nun wirkte er als Missionar im KZ und konnte anderen den Trost des Glaubens, und die Freude an Gott weitergeben. Ja, es gelang ihm, selbst in Dachau, missionarisch tätig zu werden. Er hat am eigenen Leib erfahren, dass das Evangelium nicht zu fesseln ist, sondern dass es uns befreien kann. Er lernte in seinen wenigen freien Minuten Russisch, um mit einigen russischen Gefangenen zu sprechen, was strengstens verboten war. Heimlich und im Stillen gab er einigen auch religiösen Unterricht.

Sein Mitleid und seine Mit Sorge waren aber nicht nur auf die Mitgefangenen im Lager begrenzt. Er wusste, was der Krieg in Deutschland angerichtet hatte. Er war ergriffen von der Situation im Land und vom Leid, das so viele Menschen heimgesucht hatte. In einer Lebenssituation, in der viele sich nur auf sich selbst zurückgezogen hatten, um ihr eigenes Überleben in Not und Leid zu sichern, war Pater Engelmar noch fähig, das Leid anderer zu sehen und mit den Möglichkeiten zu antworten, die er hatte. Es ist schon ein Zeichen großer Nächstenliebe als gedemütigter Gefangener im KZ, im Gebet nicht nur an sich selbst zu denken, sondern andere mit einzubeziehen. Seine innere Haltung war geprägt von dem Wort des Evangeliums, segnet die, die euch hassen; betet für die, die euch verfolgen. Sein Glaube, dass das Evangelium nicht zu fesseln ist, half ihm dabei, seinen Horizont zu weiten und in seiner missionarischen Lebensweise nicht bei sich stehen zu bleiben. Am 2. März 1945 starb Pater Engelmar, nachdem er sich bei der Pflege in den Typhus Baracken selbst mit der tödlichen Krankheit angesteckt hatte.

Liebe Schwestern und Brüder!
Es gibt viele Situationen, die uns immer wieder fragen lassen. „Warum lässt Gott das zu?“ Eine Frage, auf die es keine andere Antwort gibt als im Glauben. Ein Glaube, der Tat werden will, und der in Liebe antwortet, auch in der Umgebung von Hass und Gewalt im dritten Reich. Auch in unserer Zeit des Wohlstands und des Profit-strebens müssen wir uns bemühen die Gleichgültigkeit und Vergnügungssucht zu überwinden. Der Glaube kann dann wieder Ordnung in unsere Herzen bringen. Auch wenn ich selbst gefesselt bin, in meiner Selbstsucht oder in anderen Arten von Sucht und Abhängigkeit, bleibt das Wort Gottes doch frei und hat die Kraft Fesseln zu durch-brechen. Es ist eine Freiheit, die auch uns in unserem Alltag tragen kann.

So können dann auch wir sehen, wo unsere Liebe, wo wir gebraucht werden. Denn in den Worten von Pater Engelmar, „Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh.“

Verdienterweise wird Pater Engelmar nun am 24. September 2016, im Hohen Dom zu Würzburg, seliggesprochen.

Wir wollen nun beten, dass die Freiheit, die Liebe und die Freude am Glauben, die die Welt nicht geben kann, in uns wachsen mögen.

„Zeuge der Wirklichkeit des Himmels“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Samstag, 24. September 2016, bei der Feier der Seligsprechung von Pater Engelmar Unzeitig im Würzburger Kiliansdom

Verehrter Kardinal Amato,

liebe Mitbrüder im Bischofs-, Priester- und Diakonendienst,

liebe Mariannhiller Ordensleute und deren Freunde,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

vor wenigen Tagen geschah wieder ein schweres Erdbebenunglück in Mittelitalien. Über 290 Tote waren zu beklagen. Unmittelbar danach wurde die schon oft geäußerte Klage laut: „Wo ist Gott?“ Wie kann der uns liebende Gott bei einer solchen Katastrophe zusehen, ohne helfend einzugreifen? Vielleicht haben auch Sie sich, liebe Schwestern und Brüder, diese Frage gestellt. In der ersten Sprachlosigkeit angesichts eines solch großen Leides vermag man kaum eine Antwort zu formulieren.

Erstaunlicherweise hat dies der Mailänder „Corriere della Sera“ getan. Seine Antwort: „Er (Gott) ist in der Anwesenheit neuer Schutzengel, in all den freiwilligen Helfern, in den Feuerwehrleuten, in allen Frauen und Männern guten Willens, die sich selbst zum nächsten machen, die sich nicht nach der Uhr, sondern nach dem Herzen richten. Die nicht weglaufen und die auf den menschlichen Schrei aus Schmerz und Verzweiflung antworten. Er ist die Antwort der Hoffnung auf die Angst, des Glaubens auf unsere Schwachheit.“

Angesichts des unvorstellbaren Leides in den Konzentrationslagern der Nazis wurde und wird erst recht auch immer wieder die Frage gestellt: „Wo ist Gott gewesen?“ Ich muss gestehen, dass auch ich diese Frage nicht beiseiteschieben kann. Aber dürfen wir hier nicht – wie die Mailänder Zeitung es getan hat – auf die Engel in Dachau verweisen?

Wir sprechen zurecht von der Hölle in Dachau. Unvorstellbares Leid ist dort Menschen zugefügt worden. Aber ich erinnere mich an einen Ausspruch des vor kurzem verstorbenen Prälaten Scheipers, der dieses Konzentrationslager überlebt hatte und schon bei der Seligsprechung unseres Würzburger Pfarrers Georg Häfners am 15. Mai 2011 hier im Dom war. Er sagte: „Gott war auch in Dachau zugegen.“

Neben vielen anderen Menschen wurden auch etwa 2700 Priester hinter Stacheldraht gefangen gehalten und gequält. Der Erzbischof von Westminster, Kardinal Vincent Nichols, bezeichnete deshalb in seiner Predigt am 2. Februar dieses Jahres Dachau als das „größte Kloster der Welt“.

Pater Engelmar Unzeitig war einer von ihnen. Er war gerade erst 30 Jahre alt und erst seit zwei Jahren Priester als er in diese menschliche Hölle gebracht wurde, in der die Priester in eigene Baracken gepfercht wurden. Zwar durften sie je nach Lust und Laune der Peiniger die heilige Messe feiern, aber ansonsten wurden sie umso mehr gequält oder zu Tode gemartert. Dürfen wir nicht hier auch Gottes Anwesenheit in unserem Pater Unzeitig erkennen?

So weit es möglich war, setzte er auch im Konzentrationslager Gebet und Studium fort. Getreu dem Motto der Mariannhiller Missionare „Wenn niemand geht, dann gehe ich“ half er so unauffällig aber effektiv wie möglich. Er lernte eigens Russisch, um den jungen russischen Gefangenen den Katechismus in russischer Sprache nahe bringen zu können. Er verzichtete auf einen Teil der ohnehin spärlichen Essensration, um sie den noch mehr darbenden jungen russischen Gefangenen geben zu können.

Als 1945 eine Typhusepidemie ausbrach, war er mit 19 anderen Priestern bereit, in die betroffenen Baracken zu gehen und den Kranken und Sterbenden beizustehen. Und diese Bereitschaft hatte er, wohl wissend, dass er sich selber anstecken könnte und damit dem sicheren Tod entgegen ging. Er besaß dennoch dazu die Kraft und legte damit ein Zeugnis für die Barmherzigkeit Gottes ab.

Aus dem Konzentrationslager schrieb er an seine Schwester; „Was immer wir tun, was immer wir wollen, es ist einfach nur Gnade, die uns trägt und führt. Gottes allmächtige Gnade hilft uns Hindernisse zu überwinden. Liebe verdoppelt unsere Kraft, macht uns erfinderisch, zufrieden und innerlich frei. Wenn Menschen doch verstehen würden, was Gott für die bereithält, die ihn lieben.“

Was können wir, liebe Schwestern und Brüder, an diesem neuen Seligen für uns beispielgebend erkennen? Erstens: Mag die eigene Lebenssituation auch noch so ausweglos erscheinen, ich kann als neue Schöpfung Gottes die Wirklichkeit des Himmels durch mein Tun bezeugen. Pater Engelmar hat sich nicht in sich selbst zurückgezogen, sondern im Gebet und in der Feier der heiligen Messe mit Gott kommuniziert und in Konsequenz anderen Leidenden beigestanden. Es wird sogar berichtet, dass er im Konzentrationslager manchmal beinahe die Zählappelle verschwitzt hätte, weil er tief im Gebet vor dem Allerheiligsten in der Gefangenenkapelle versunken war. Wir stehen heute vor der gewaltigen Aufgabe einer Neuevangelisierung Europas. Dies kann uns nur gelingen, wenn wir die uns in der Taufe geschenkte neue Schöpfung in Gebet und Tun mit der Hilfe Gottes auch realisieren, das heißt sichtbar machen.

Zweitens: Pater Engelmar hat seine Bereitschaftserklärung, sein Adsum bei der Priesterweihe in einer Situation durchgehalten, die ihn menschlich gesehen überfordern musste. Er hat sich als Aushilfspriester ebenso um französische Kriegsgefangene gekümmert wie als Gefangener im Konzentrationslager Dachau um russische Inhaftierte. Er hat sich auch da eingebracht, wo es sein eigenes Leben kosten sollte.

Wie steht es mit uns, wenn unser Versprechen Gott gegenüber auch eingelöst werden muss? Ich denke dabei nicht nur an unser Versprechen bei der Ehe und bei der Priesterweihe, sondern auch an unsere christliche Grundhaltung Menschen gegenüber, die jetzt unsere Hilfe brauchen – wie zum Beispiel die Flüchtlinge und Asylsuchende. Machen wir mit der Botschaft des Evangeliums auch dann ernst, wenn wir persönlichen Schaden in Kauf nehmen müssen?

Drittens: Pater Engelmar hatte sich den Mariannhillern Missionaren angeschlossen, weil er in die Mission gehen und dort in fernen Ländern den Glauben einpflanzen wollte. Nach seiner Priesterweihe am 6. August 1939 (kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges) konnte er nur kurze Zeit als Priester in Würzburg, Linz und als Pfarrprovisor in Glöckelberg wirken. Am 21. April 1941 erfolgte seine Verhaftung und nach sechs Wochen Aufenthalt im Linzer Gefängnis die Überführung in das Konzentrationslager Dachau.

Obwohl sein Wunsch, in die Mission zu gehen, sich nicht erfüllt hatte, wurde er nicht depressiv, sondern er erkannte, dass er auch hier – wie er selbst schrieb – „in diesem gottverlassenen Lager, in dem das Böse regiert und wo wir leicht glauben könnten, von Gott und der Welt in unserem Leiden verlassen zu sein“ seine missionarische Berufung leben konnte.

Und wir? Ist für uns nicht erst recht die Möglichkeit gegeben, heute unseren Glauben authentisch bescheiden und damit wirkkräftig zu leben? Wir brauchen keine Verfolgung, Bestrafung oder gar Hinrichtung zu fürchten. Kann uns da nicht diese Lichtgestalt aus dunkelster Zeit zur nötigen Einsicht verhelfen?

Möge uns dabei der neue Selige, Pater Engelmar Unzeitig, ein Fürsprecher und tatkräftiger Helfer sein. Sein Gedenktag wird künftig der 2. März sein. Amen.

„Der Mensch ist nicht für sich allein geboren!“ – Dieses Wort ist mir aus meiner Schulzeit noch in Erinnerung geblieben. Der reiche Mann im Evangelium, der herrlich und in Freuden lebte, der aber den armen Lazarus nicht wahrnimmt, ist das Beispiel eines Menschen, der nur für sich allein lebt. Dass zwischen ihm und Abraham ein unüberwindlicher Graben steht, zeigt, wie sehr dieser Mann von Gott entfernt war.

Gestern wurde in Würzburg Pater Engelmar Unzeitig seliggesprochen. Er lebte in einer Zeit, unter einer Regierung, die weit von Gott entfernt war. Pater Engelmar wurde 1911 in einfachen Verhältnissen geboren. Schon früh verlor er seinen Vater, der als Kriegsgefangener an Typhus starb. Durch die religiöse Erziehung wurde in ihm der Wunsch grundgelegt, Priester und Missionar zu werden. Die Mariannhiller lernte er kennen durch die Zeitschrift, aus der ihm seine Großmutter immer wieder vorgelesen hatte. Nach dem Abitur in Reimligen, nach Noviziat, eine Probezeit im Orden, und Studium wurde er am 6. August 1939 in Würzburg zum Priester geweiht. Er bekam einige Zeit später eine kleine Pfarrstelle in Glöckelberg in Böhmen. In seinen Predigten trat Pater Engelmar dafür ein, dass der Mensch nicht vor Regierungen und schon gar nicht vor einem einzelnen Menschen die Knie beugen dürfen, sondern einzig und allein vor Gott. Auch im Religionsunterricht trat er dafür ein, dass Christus der wahre Sinn im Leben ist. Pater Engelmar wurde denunziert. Nach einigen Gefängnisaufenthalten wurde er ins KZ Dachau gebracht.

Ein KZ war eine Welt ohne Gott. In dieser Welt lebte und wirkte auch P. Engelmar. In einer Situation, in der auch viele mit sich selbst beschäftigt waren, hatte P. Engelmar immer auch ein Auge für Mitgefangene. Wurden ihm von zu Hause Pakete mit Essen geschickt, so teilte er es selbstverständlich. Auch das eigene Essen im Lager teilte er mit anderen, wenn sie zu verhungern drohten. Pater Engelmar spendete wie viele Priester heimlich Sakramente. Ihm gelang es Mitgefangene zum Glauben zu bekehren. Ein russischer Gefangener versprach, nach seiner Rückkehr katholisch zu werden. Pater Engelmar wirkte im KZ Dachau als Missionar.

Pater Engelmar und mit ihm sicher auch viele andere zeigten: selbst in unmenschlichsten Situationen kann Mitmenschlichkeit aufrechterhalten werden. Selbst im KZ, einer Welt ohne Gott, ist der menschennahe Gott da. Selbst dort gibt es Menschen, die nicht nur auf sich selber schauen, nicht nur darauf schauen, dass sie gut durchkommen, sondern den Mitmenschen sehen, der noch verzweifelter ist, der eben noch mehr Hilfe bedarf. Das ist ein echtes Glaubenszeugnis.

Pater Engelmar wurde als Märtyrer der Nächstenliebe seliggesprochen. Kurz vor Ende des Krieges brach im KZ eine Typhusepidemie aus. Es wurden Freiwillige gesucht, welche die Kranken pflegen sollten. Die Kranken lagen in ihrem eigenen Kot. Wunden mussten ausgewaschen werden. Immer wieder mussten die Baracken gereinigt werden. Schwer zu ertragen waren auch die Schmerzensschreie der Kranken. Pater Engelmar stand ihnen bei – mit vielen anderen.

Oft bedeutete es das eigene Todesurteil. Pater Engelmar war einer von vielen Freiwilligen, die sich für diese Aufgabe meldeten. Am 2. März starb er selber an der Krankheit.

Pater Engelmar hatte eine Liebe, die für andere lebte, die den Mitmenschen sah, der in größerer Not war. Er hatte eine Liebe, die sich bis zum äußersten hingab. Durch diese Liebe zeigte er: Gott ist da – Menschen können Gottes Wirken nicht verhindern. Pater Engelmar war ein Mann Gottes, voll von Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, liebe Standhaftigkeit und Sanftmut.

Der selige Pater Engelmar lehrt uns – füreinander leben, leben bis zum äußersten. Amen.

Wenn keiner geht, gehe ich

Seliger Engelmar Unzeitig

Linz Ursulinenkirche, 21. Oktober 2016

Hubert Unzeitig, geb. am 1. März 1911 in Greifendorf in Mähren, wurde am 4. März in der Pfarrkirche von Greifendorf getauft. Mit 17 Jahren beginnt er im bayrischen Reimlingen als Spätberufener das Gymnasium der Missionare von Mariannhill, nach dem Abitur tritt er als Frater Engelmar dem Orden bei. Das Studium der Philosophie und Theologie absolviert er im Mariannhiller Piusseminar in Würzburg. Am 6. August 1939 wird Engelmar Unzeitig zum Priester geweiht, Primiz feiert er am Fest Mariae Himmelfahrt in Greifendorf. Bald danach bricht der 2. Weltkrieg aus. Nach Abschluss des Pastoraljahres wird Pater Engelmar Unzeitig im Juni 1940 der 1936 neu gegründeten österreichischen Mariannhiller Provinz mit Sitz in Riedegg unterstellt, im Missionshaus „Maria Anna Höhe“ (Schloss Riedegg) bei Gallneukirchen in Oberösterreich nimmt er sich besonders der französischen Kriegsgefangenen an. Bischof Gföllner bat nach der Übernahme der Verwaltung des „Generalvikariats Hohenfurth“ die Orden um Aushilfe, so auch die Mariannhiller in Riedegg. Der junge Priester Pater Unzeitig übernahm als Pfarrprovisor die Pfarre Glöckelberg mit 1. Oktober 1940. Die Pfarre (ca. 1.320 Katholiken) galt als schwierig („nicht fromm“). Pater Engelmar wird u.a. beschuldigt, er setze sich für verfolgte Juden ein, betrachte nicht den Führer, sondern Christus als seinen obersten Herrn. Nicht laut, aber deutlich bezog er gegen Hitler und die NS-Politik Stellung.

Pater Engelmar wurde denunziert, von einem Messdiener oder von einem Lehrer, und am 21. April 1941 von der Gestapo wegen „Kanzelmissbrauch und Beleidigung des Führers“ verhaftet und nach Linz zum Erkennungsdienst der Kriminalpolizeidienststelle gebracht (erkennungsdienstliche Behandlung am 22. April 1941).

Ob er dort bis zum Abtransport nach Dachau verblieb, ist nicht klar. Die Kriminalpolizeistelle Linz war im Polizeipräsidium Linz in der Mozartstraße 6-10. Das ehemalige „Hotel Europa“ wurde ab 1936 als Amtsgebäude für die Polizei genutzt und 1982/83 abgerissen. Heute ist dort das C&A Kaufhaus. Es ist anzunehmen, dass dort auch für die polizeiliche Arbeit Zellen für Untersuchungshäftlinge waren.

Am 3. Juni 1941 kommt Pater Unzeitig in das KZ Dachau. Der Häftling wird zur Nummer 26147, mit allen Schikanen eines KZs. Als in den letzten Dezemberwochen 1944 die Typhus-Epidemie ausbricht, meldet sich Pater Unzeitig mit 19 anderen Geistlichen freiwillig zur Pflege der Schwerst-Kranken. Er stirbt am 2. März 1945 selbst an Flecktyphus. Die herausgeschmuggelte Asche „des Engels von Dachau“ wird am Karfreitag, 30. März 1945 in Würzburg beigesetzt, am 20. November 1968 wird die Urne in die Mariannhiller Herz-Jesu-Kirche in Würzburg übertragen. Am 24. September 2016 wird Pater Engelmar Unzeitig in Würzburg seliggesprochen.

Aus einem Brief von Pater Engelmar Unzeitig Anfang Oktober 1941, also vor ziemlich genau 75 Jahren: „Fühle mich, Gott sei Dank, noch gesund. Auch erkältet war ich noch nicht. Der Rosenkranzmonat sieht uns wieder am Nachmittag zur Andacht zu gemeinsamem Rosenkrankgebet um den Altar geschart, um Maria, die Hilfe der Christen, die Mittlerin der Gnaden, zu grüßen und um ihre mütterliche Fürsprache anzurufen, und mit der Patronin der Missionare, der hl. Theresia, beten und opfern wir für die Ausbreitung des großen Reiches der Seelen Christi, des Königs, dem wir am Ende des Oktobermonats huldigen wollen.“[1]

„Gottes Wege sind wunderbar. Ja, Gott braucht uns nicht, nur unsere Liebe, unsere Hingabe, unser Opfer. So hoffe auch ich, den unzähligen Heimatlosen, als den Hilf- und Trostlosen, besonders in den schwer heimgesuchten Städten in etwa zu Hilfe kommen zu können. Dazu hat uns wohl Gott aus der aktiven Seelsorge herausgenommen, dass wir als große Beterschar durch Gebet und Opfer zu Gott um Gnade und Erbarmen flehen für unsere Brüder und Schwestern draußen.“[2]

Vermutlich sind uns solche Worte gegenwärtig fremd. Vertrauen und Zuversicht, Dankbarkeit und Liebe sind nach Mauthausen, Dachau und Auschwitz nicht mehr einfach die Grundhaltungen des Gebetes und des Lebens. Hat nicht die Barbarei in den KZ die Theodizeefrage noch einmal zugespitzt oder gar obsolet gemacht? – Und Pater Unzeitig ist auch nicht recht bekannt in der Diözese Linz und in Oberösterreich, obwohl er doch „einer von uns war“, „einer bei uns“.

Pater Engelmar wird u.a. beschuldigt, er setze sich für verfolgte Juden ein, betrachte nicht den Führer, sondern Christus als seinen obersten Herrn. Nicht laut, aber deutlich bezog er gegen Hitler und die NS-Politik Stellung. Pater Engelmar wurde denunziert, von einem Messdiener oder von einem Lehrer, und am 21. April 1941 von der Gestapo wegen „Kanzelmissbrauch und Beleidigung des Führers“ verhaftet und nach Linz zum Erkennungsdienst der Kriminalpolizeidienststelle gebracht (erkennungsdienstliche Behandlung am 22. April 1941). Am 3. Juni 1941 kommt Pater Unzeitig in das KZ Dachau. Der Häftling wird zur Nummer 26147, mit allen Schikanen eines KZ´s. Als in den letzten Dezemberwochen 1944 die Typhus-Epidemie ausbricht, meldet sich Pater Unzeitig mit 19 anderen Geistlichen freiwillig zur Pflege der Schwerst-Kranken. Er stirbt am 2. März 1945 selbst an Flecktyphus.

Märtyrer der Nächstenliebe

Wenn wir seine Briefe aus dem KZ lesen, dann spüren wir etwas von seinem tiefen Gottvertrauen, von seinem Einsatz für die Mithäftlinge, von seiner Frömmigkeit, die so stark war, dass selbst Verleumdung, Spott, Hunger und Grausamkeit ihn nicht davon abbringen konnten, sich bei Gott geborgen zu wissen. In einem seiner Briefe schreibt er: „Liebe verdoppelt die Kräfte. Sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh!“[3] Seine Liebe zu Gott und zum Nächsten war der tragende Grund seiner Bereitschaft, sich im KZ derer anzunehmen, die sich schwerer taten als er, Gottes fürsorgerliche Hand in allem zu sehen und trotz der Härte des Lagerlebens auch weiterhin an Gottes Güte zu glauben. Er sparte immer wieder von den eigenen, sehr knappen Essensrationen etwas ab und reichte es heimlich weiter an junge, hungrige russische Häftlinge. Bei den täglichen Arbeiten auf dem Feld und in der Fabrik freundete er sich mit russischen Zwangsarbeitern an. Gleichzeitig betreute er sie als Seelsorger, übersetzte für sie einen kleinen Katechismus ins Russische und mühte sich so, in ihren trostlosen Alltag ein wenig Licht zu bringen. Auf diese Weise fand auch ein hoher russischer Offizier wieder zurück zum Glauben seiner Väter. Engelmar Unzeitig war von seiner Berufung her Missionar, besonders auch im KZ, der nichts wollte, als „die ganze Welt in Gottes Vaterhaus zurückbringen“. Er war vom „Geist der Kleinheit“ der hl. Therese geprägt: „Das Bewusstsein, dass für Gott in seiner Sehnsucht, alle Menschen zu retten, nichts und kein Wort unwichtig ist.“ (Pater Damian Weber CMM)[4] Therese ist für sein Selbstverständnis als Missionar im KZ wichtig. Wenn er Menschen nicht direkt evangelisieren konnte, dann wollte er, gemäß dem Wort der hl. Therese von Lisieux (1873-1897) wenigstens für sie leiden und büßen. Am 11.1.1942 schreibt er: „Mich tröstet ein Wort der hl. Theresia: ‚Mit Worten kann man wohl Seelen unterrichten, retten kann man sie aber nur durch leiden.“[5]

Er lernte die Sprache der Tschechen in seiner Heimat, französisch für die Kriegsgefangenen in Riedegg, Russisch für die Mithäftlinge in Dachau, um besseren Zugang zu ihnen zu finden. Die russischen, bzw. ukrainischen Häftlinge und Zwangsarbeiter waren ihm ein besonderes Anliegen.

Mission als Inkarnation

Thomas von Aquin: „Vivo ergo propter Patrem, quia misit me: idest, fecit me incarnari: missio enim Filii Dei est eius incarnatio.” (In Jo 6, 58 lect.7 n.977). Papst Franziskus spricht davon, dass Missionare, Priester und Bischöfe den Geruch der Schafe haben sollen, d.h. dass sie den Geruch der Wohnungen kennen soll. Sie sind wesentlich Gesandte, die auf die Menschen zugehen und ihnen nachgehen. Bei diesem Apostolat ist aber zu beachten, dass es zur Beschäftigungstherapie wird wenn es keinen spirituellen Gegenpol in Form der „Prèsence“, des einfachen Daseins und Wartens, gibt. Jesus lässt sich Gott auch im Verborgenen, im Geringsten, in der Enttäuschung und im Entzug von Erfahrung zumuten. So kann Gotteserfahrung in der Spur Jesu durchaus enttäuschend sein. Wer hat es denn noch nicht erlebt, dass er sich nach Menschen oder nach Gott gesehnt hat und angeklopft hat in der nächsten Minute ein Sandler? Nach Christus ist nichts mehr zu erwarten (Johannes vom Kreuz). „Nahe bei den Menschen sein“, ist in mehreren Diözesen ein pastorales Leitwort.

Engelmar Unzeitig meldete sich freiwillig zur Typhuskrankenpflege und ging damit in die Todeszone. Und es war auch ein Todeskommando. Sie „fegten die Bretter und Pritschen sauber, so gut es ging, wuschen die verdreckten, schwitzenden, stinkenden, zu Skeletten ausgemergelten Leiber, sammelten verlaust Kleider ein, zündeten sie an, das Feuer fraß sich hinein in den von Läusen wimmelnden Kleiderberg.“[6] „Durch den unbeschreiblichen Schmutz der Lagerarbeiten, durch Ansteckung, Läuse und Hunger begleitete uns der Herr – durch Typhus, Ruhr, Enteroklotis (Entzündungen des Dünn- und Dickdarms) und Krätze; die Ärzte sprachen von Cholera … Das Seelsorgeverbot galt auch in den Typhusbaracken, doch die Todesangst hielt die SS fern. … Alles starrte vor Schmutz und Läusen, Eiter, Speichel und Kot. … Oft fehlten sogar die Bretter, andere Häftlinge hatten sie weggenommen, um Kartoffeln zu kochen, um die Baracke zu beheizen. Die Fensterscheiben fehlten, eisiger Wind wehte herzlos über die Sterbenden.“[7] Damit war Pater Engelmar „nahe bei den Menschen“.

Mission als Kenose

Am 14. Dezember 1927, ziemlich genau 30 Jahre nach ihrem Tod, hat Papst Pius XI. Thérèse von Lisieux zur Patronin der Missionen in der ganzen Welt ernannt. Sie war nie als Missionarin unterwegs, aber sie ist an spirituelle und existentielle Grenzen gegangen. Thérèse vom Kinde Jesu macht in ihrem geistlichen Leben massive Erfahrungen des Nebels, der Nacht, der Mauer zwischen ihr und Gott. Sie deutet diese Erfahrungen von der christologischen Solidarität mit den Sündern her.[8] Thérèse von Lisieux vollzieht die Nicht-Erfahrung, die Kenose Christi in die Hölle aus Solidarität mit den Ungläubigen mit. Sie kann die Gotteserfahrung aus Liebe zu den Nächsten loslassen. Sie weiß sich berufen, da zu sein, wo Christus ist und wenn es in der Hölle ist. Sie erfährt am eigenen Leib die Nacktheit des Glaubens, der nichts mehr sieht, nichts mehr spürt und nichts mehr erfährt. Sie glaubt, hofft und liebt ins Leere hinein und eröffnet so in der Hoffnungs- und Lieblosigkeit eine Stelle der Hoffnung und der Liebe (Stellvertretung!). Papst Franziskus hatte gemeint, dass eine missionarische Kirche an die Ränder gehen soll, nicht nur geographisch, sondern an die sozialen Grenzen und an die Grenzen der menschlichen Existenz: die des Mysteriums der Sünde, des Schmerzes, der Ungerechtigkeit, der Ignoranz, der fehlenden religiösen Praxis, des Denkens und jeglichen Elends: das ist die Hölle von Auschwitz und von Dachau, die Höllen des Krieges und der Gewalt, das sind die Abgründe der Psychiatrie, der Flucht und des Todes. Eine Mission ohne Abstieg in diese Abgründe ist nicht Mitvollzug der Sendung Jesu.

Mission heißt Sendung, Auftrag. Ich glaube, dass jeder Mensch in seinem Leben einen Auftrag, eine Sendung zu verwirklichen hat. Es gibt keinen unnützen oder gar nutzlosen Menschen. Wir können unseren Lebensauftrag leider verfehlen, aber wir können ihn auch finden und allmählich verwirklichen. – Mission ist das „Weitersagen, was für mich selbst geistlicher Lebensreichtum geworden ist und dies – im Sinn von „Evangelisierung“ – auf die Quelle zurückführen, die diesen Reichtum immer neu speist; auf das Evangelium, letztlich auf Jesus Christus selbst und meine Lebensgemeinschaft mit ihm.“ (Medard Kehl) Letztlich geht es bei Mission darum, das zeigen, was man liebt: Jesus zeigen, von dem wir sicher sein dürfen, dass er uns liebt.

Am Anfang war es mehr ein Wortspiel: Aus dem Priester mit dem Namen Engelmar wurde schon bald der „Engel von Dachau“. Er wurde aber zu einem wirklichen Engel, zu einem Boten, der Botschaft der Menschlichkeit und der Liebe in einer unmenschlichen Zeit verbreitete. Es waren seine Selbstlosigkeit, seine Fürsorge für die Mithäftlinge, seine kindliche Begeisterung für den christlichen Glauben. Da, wo Gottes Gegenwart am wenigsten vermutet wird, leuchtet sie in einem Menschen auf, der in der größten Erniedrigung, in Hunger und Schmach Gottes Güte und wehrlose Hingabe lebt. „Wenn keiner geht, dann gehe ich.“

„Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen.“[9] In den Seligpreisungen fügt Jesus das Zerschlagene und die Zerschlagenen zusammen, holt er die Verlorenen heim, macht er die Kaputten lebendig, trocknet er die Tränen, gibt er den Toten Hoffnung.

Bischof Manfred Scheuer

Adalbert L. Balling, Eine Spur der Liebe hinterlassen. Pater Engelmar (Hubert) Unzeitig, 1911-1945, Mariannhiller Missionar, Märtyrer der Nächstenliebe im KZ Dachau, Würzburg / Reimlingen 1984.

Adalbert L. Balling / Reinhard Abeln, Speichen am Rad der Zeit. Priester in Dachau, Freiburg 1985.

Engelmar Unzeitig, Liebe verdoppelt die Kräfte. Briefe aus dem KZ, Würzburg / Reimlingen 1992.

Worte der Freiheit. Briefe aus der Haft: Pater Engelmar Unzeitig 1991-1945, hg. Pater Andreas Rohring CMM, München 2001.

[1] Briefe aus Dachau von Pater Engelmar Unzeitig an seine Schwester Maria-Huberta – Juni 1941 bis Februar 1945, 5.10.1941, zitiert nach: Adalbert L. Balling / Reinhard Abeln, Speichen am Rad der Zeit. Priester in Dachau, Freiburg 1985, 60.

[2] Engelmar Unzeitig, Liebe verdoppelt die Kräfte. Briefe aus dem KZ, Würzburg / Reimlingen 1992,118.

[3] Worte der Freiheit. Briefe aus der Haft: Pater Engelmar Unzeitig 1911-1945, hg. Andreas Rohring CMM, München 2011,51.
[4] Rundbrief der Missionare von Mariannhill Nr. 58 (2016) 3.

[5] Albert L. Balling / Reinhard Abeln, Speichen am Rad der Zeit. Priester in Dachau, Freiburg 1985, 79.

[6] Alexander Berger, Kreuz hinter Stacheldraht, Bayreuth 1963.

[7] Johannes Maria Lenz, Christus in Dachau, Wien 1956.

[8] Thérèse vom Kinde Jesus, Selbstbiographische Schriften, Einsiedeln 1958, 219-223.

[9] Walter Benjamin, Geschichtsphilosophische These IX.

Es gilt das gesprochene Wort.

Liebe verdoppelt die Kräfte

Lebenszeugnis des P. Engelmar Unzeitig

Wallfahrt der Mariannhiller nach Glöckelberg, 17. Juni 2017

Die große Glocke der Kirche in Glöckelberg im Böhmerwald mit 237 kg „Maria Königin des Friedens“ wurde vom Stift Schlägl gestiftet und trägt die lateinische Inschrift “QUI CREDIT VIVIT“ / Wer glaubt, der lebt“ und „POPULOS AD PACEM VOCO“ / „Ich rufe die Völker zum Frieden“. Die zweite mit 141 kg stiftete Horst Wondraschek und ist der hl. Ursula gewidmet. Sie trägt die lateinische Inschrift: „PER OMNES FINES AD RECONCILIATIONEM VOCO“ /„Über alle Grenzen hinweg rufe ich zur Versöhnung.“

Minderwertigkeit und Musterung

In seinem vierbändigen „Essay über die Ungleichheit der menschlichen Rassen“ (1853–1855) vertrat Joseph Arthur de Gobineau die Ansicht, dass der Lauf der Weltgeschichte rassisch bedingt sei. Während alle Hochkulturen den Ariern zuzuordnen seien, müsse man die übrigen „Rassen“ als „minderwertig“ ansehen. Vermische sich die „arische Herrenrasse“ mit einer der „minderwertigen Rassen“, komme es zu Zerfall und Untergang. Annahme, dass die germanische Herrenrasse die einzig kulturschöpfende, technisch begabte und staatsbildende Kraft in der Geschichte sei. Kontur gewann dieses Konstrukt aus dem Negativbild der „jüdischen Gegenrasse“. Adolf Hitler glaubte, es könne in der Zukunft nur „eine höchste Rasse“ als Herrenvolk zur Weltherrschaft berufen sein. Die nationalsozialistische Rassenhygiene, die Zwangssterilisierung und Ermordung als „minderwertig“ angesehener Kranker und Behinderter, die Entrechtung, Verfolgung und Ermordung der Juden und die Pläne zur Neugestaltung der eroberten polnischen und sowjetischen Gebiete (Generalplan Ost) dienten dem Ziel, die Herrschaft der arisch-germanischen „Rasse“ zu erhalten und einen „germanischen Staat deutscher Nation“ zu errichten.[1]

Aus einer Denkschrift Heinrich Himmlers vom Mai 1940: „Für die nichtdeutsche Bevölkerung des Ostens darf es keine höhere Schule geben als die vierklassige Volksschule. Das Ziel dieser Volksschule hat lediglich zu sein: einfaches Rechnen bis höchstens 500, Schreiben des Namens, eine Lehre, dass es ein göttliches Gebot ist, den Deutschen gehorsam, ehrlich, fleißig und brav zu sein.“[2]

Theodor W. Adorno in den Minima Moralia: „Musterung. Wer, wie das so heißt, in der Praxis steht, Interessen zu verfolgen, Pläne zu verwirklichen hat, dem verwandeln die Menschen, mit denen er in Berührung kommt, automatisch sich in Freund und Feind. Indem er sie daraufhin ansieht, wie sie seinen Absichten sich einfügen, reduziert er sie gleichsam vorweg zu Objekten: die einen sind verwendbar, die anderen hinderlich. … So tritt Verarmung im Verhältnis zu anderen Menschen ein: die Fähigkeit, den anderen als solchen und nicht als Funktion des eigenen Willens wahrzunehmen, vor allem aber die des fruchtbaren Gegensatzes, die Möglichkeit, durch Einbegreifen des Widersprechenden über sich selber hinauszugehen, verkümmert. Sie wird ersetzt durch beurteilende Menschenkenntnis. … Das Ende ist die medizinische Untersuchung nach der Alternative: Arbeitseinsatz oder Liquidation.“[3]

Der Selige P. Engelmar Unzeitig hat nicht in Kategorien von Überlegenheit und Minderwertigkeit, nicht in Kategorien von Herren und Sklaven, von Freunden und Feinden gedacht. Er sah in anderen Völkern keine Rivalen, keine Gegner und Feinde. Rivalität richtet Grenzen auf zwischen Menschen, Rassen und Nationen und erzeugt Feindbilder. Durch Rivalität und Konkurrenz geht heute mehr und mehr die Fähigkeit verloren echte Beziehungen einzugehen und sich einem Miteinander zu öffnen. Eine große Gefahr für das gemeinsame Miteinander ist der Neid. Der Neid ist die Traurigkeit über das Gut, über das Glück eines anderen. Wenn es einem anderen gut geht, so geht es mir schlecht. Wenn der andere gesund ist, so werde ich krank. Wenn der andere gewinnt, bin ich Verlierer. Es gibt das Schielen und Vergleichen, es gibt die Konkurrenz und eben den Neid, die Beziehungen nachhaltig vergiften. Die Seligen haben sich nicht durch den Neid vergiften lassen und haben das Liebesgebot Jesu bis zum Ende gelebt. „Wenn Gott Mensch geworden ist und es in Ewigkeit bleibt, dann und darum ist aller Theologie verwehrt, vom Menschen gering zu denken. Sie dächte von Gott gering.“ (Karl Rahner) Denn Gott schreibt das Hoheitszeichen seiner Liebe und Würde, zeichnet seinen Segen auf die Stirn eines jeden Menschen, auf unsere Stirn, auf die Stirn von Freunden und Feinden.

P. Engelmar Unzeitig

Nach Abschluss des Pastoraljahres wird P. Engelmar Unzeitig im Juni 1940 der 1936 neu gegründeten österreichischen Marianhiller Provinz mit Sitz in Riedegg unterstellt, im Missionshaus „Maria Anna Höhe“ (Schloss Riedegg) bei Gallneukirchen nimmt er sich besonders der französischen Kriegsgefangenen an. Die (südböhmischen) Kreise Kaplitz und Krumau wurden der zivilen Verwaltung dem Gau Oberdonau unterstellt (politische Eingliederung mit 1. Juli 1939), die kirchlich zur Diözese Budweis gehörenden deutschsprachigen Gebiete von der Diözese Linz verwaltet. Bischof Johannes M. Gföllner übernahm mit 1. Jänner 1940 die provisorische kirchliche Verwaltung von 45 Pfarren in den vier deutschen Dekanaten („Vikariate“) Hohenfurth, Kaplitz, Krummau, Oberplan) mit 87.568 Einwohnern, womit die Diözese Linz (867.980 Katholiken) mit dem neuen Verwaltungsgebiet „Generalvikariat Hohenfurth“ (mit P. Dominik Kaindl als Gerneralvikar) auf 955.548 Einwohner anwuchs. Wegen des großen Priestermangels (Abzug der tschechischen Priester, kriegsbedingter Abgang von Wehrmachtspriestern etc.) bittet Bischof Gföllner die Mariannhiller Missionare von Riedegg (neben anderen Orden) um Aushilfe in den Pfarren.

P. Engelmar Unzeitig übernimmt mit 1. Oktober 1940 als Provisor die schwierige Pfarre Glöckelberg, mit ca. 1320 Katholiken. Es waren harte Monate für den Neupriester. Nicht nur der Winter war streng, auch die Seelsorge forderte ihn heraus – auf der Kanzel, beim Religionsunterricht, im Gespräch mit den Menschen. Die Nationalsozialisten waren in dieser Zeit bestimmend; Hitlers Agenten lauerten überall, auch in den Kirchen. Nicht laut, aber deutlich bezog P. Engelmar gegen Hitler und die NS-Politik Stellung. P. Engelmar wurde denunziert, von einem Messdiener oder von einem Lehrer, und am 21. April 1941 von der Gestapo wegen „Kanzelmissbrauch und Beleidigung des Führers“ verhaftet und nach Linz zum Erkennungsdienst der Kriminalpolizeidienststelle gebracht (erkennungsdienstliche Behandlung am 22. April 1941). Er wurde beschuldigt, er setze sich für verfolgte Juden ein. Er betrachte nicht den Führer, sondern Christus als seinen obersten Herrn. Er lehre die Jugend, Gehorsam gegenüber Gott sei wichtiger als gegenüber weltlicher Macht. Am 3. Juni 1941 (Todestag von Bischof Gföllner) kam P. Unzeitig in Dachau an. Der Häftling wurde zur Nummer (26 147) – mit allen Schikanen eines KZs. Ab April 1942 arbeitete Unzeitig auf der sogenannten Plantage, größtenteils Gewürzland und Versuchsfelder und in der „Messerschmitthalle“. Das KZ Dachau war kein eigentliches Vernichtungslager, aber es geschah Vernichtung durch Arbeit, Entbehrung, Hunger, Krankheit, willkürlichen Mord, Erschießungen, pseudowissenschaftliche Experimente der SS-Ärzte und andere Schikanen. Die Jahre im KZ Dachau waren für Unzeitig die Hölle. Dabei war die Mission seine Berufung: Er lernte die Sprache der Tschechen in seiner Heimat, französisch für die Kriegsgefangenen in Riedegg, Russisch intensiver für die Mithäftlinge in Dachau, um besseren Zugang zu ihnen zu finden. Die russischen, bzw. ukrainischen Häftlinge und Zwangsarbeiter waren ihm ein besonderes Anliegen.

Wenn wir seine Briefe aus dem KZ lesen, dann spüren wir etwas von seinem tiefen Gottvertrauen, von seinem Einsatz für die Mithäftlinge, von seiner Frömmigkeit, die so stark war, dass selbst Verleumdung, Spott, Hunger und Grausamkeit ihn nicht davon abbringen konnten, sich bei Gott geborgen zu wissen, In einem seiner Briefe schreibt er: „Gottes Wege sind wunderbar. Ja, Gott braucht uns nicht, nur unsere Liebe, unsere Hingabe, unser Opfer. So hoffe auch ich, den unzähligen Heimatlosen, als den Hilf- und trostlosen, besonders in den schwer heimgesuchten Städten in etwa zu Hilfe kommen zu können. Dazu hat uns wohl Gott aus der aktiven Seelsorge herausgenommen, dass wir als große Beterschar durch Gebet und Opfer zu Gott um Gnade und Erbarmen flehen für unsere Brüder und Schwestern draußen.“

„All das nimmt uns aber nicht die Gelassenheit, da wir uns alle in Gottes Hand wohl geborgen wissen. (…) Ob wir leben oder sterben, wir sind des Herrn. All unsere Tun, unser Wollen und Können, was ist es anderes als seine Gnade, die uns trägt und leitet. Seine allmächtige Gnade hilft uns über die Schwierigkeiten hinweg. Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, sie macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Menschen Herz gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. (…) Unsterblich ist das Gute und der Sieg muss Gottes bleiben, wenn es uns auch manchmal nutzlos erscheint, die Liebe zu verbreiten in der Welt.“ (an seine Schwester, 1944)

„Gott lenkt alles in wunderbarer Weisheit. Wir wissen nur nicht oft sofort, wozu alles gut ist.“[4]

Seine Liebe zu Gott und zum Nächsten war der tragende Grund seiner Bereitschaft, sich im KZ derer anzunehmen, die sich schwerer taten als er, Gottes fürsorgerliche Hand in allem zu sehen und trotz der Härte des Lagerlebens auch weiterhin an Gottes Güte zu glauben. Er sparte immer wieder von den eigenen, sehr knappen Essensrationen etwas ab und reichte es heimlich weiter an junge, hungrige russische Häftlinge. Bei den täglichen Arbeiten auf dem Feld und in der Fabrik freundete er sich mit russischen Zwangsarbeitern an. Gleichzeitig betreute er sie als Seelsorger, übersetzte für sie einen kleinen Katechismus ins Russische und mühte sich so, in ihren trostlosen Alltag ein wenig Licht zu bringen. Auf diese Weise fand auch ein hoher russischer Offizier wieder zurück zum Glauben seiner Väter. Engelmar Unzeitig war von seiner Berufung her Missionar, besonders auch im KZ, der nichts wollte, als „die ganze Welt in Gottes Vaterhaus zurückbringen“.

In den letzten Dezemberwochen 1944 brach eine Flecktyphus-Epidemie im Lager aus – mit mehr als 100 Toten täglich. Für die Pflege meldeten sich 20 „Freiwillige“ katholische Geistliche aus den Priesterblöcken 26 und 28, darunter P. Engelmar Unzeitig – ein freiwilliger Gang in den Tod. Am 2. März 1945 starb Unzeitig an Flecktyphus.

Bischof Manfred Scheuer

[1] Mario Wenzel: Germanische Herrenrasse. In: Wolfgang Benz (Hrsg.). Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd. 3, München 2010, 107; Anja Lobenstein-Reichmann: Houston Stewart Chamberlain. Zur textlichen Konstruktion einer Weltanschauung. Eine sprach-, diskurs- und ideologiegeschichtliche Analyse. De Gruyter, Berlin 644-651.

[2] Adalbert L. Balling / Reinhard Abeln, Speichen am Rad der Zeit. Priester in Dachau, Freiburg 1985, 24.

[3] Theodor W. Adorno, Gesammelte Werke IV, 147.

[4] Worte der Freiheit. Briefe aus der Haft: Pater Engelmar Unzeitig 1911-1945, hg. Andreas Rohring CMM, München 2011,51.

Sehr geehrter Herr Generalsuperior, Provinzvikar,

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitbrüder,

wir gedenken heute, am ersten Fastensonntag, des Seligen Engelmar Unzeitig, der vor genau 75 Jahren am 2. März 1945 im Konzentrationslager Dachau verstorben ist. Er stammte aus Greifendorf bei Zwittau, half zunächst nach der Volksschule auf dem elterlichen Bauernhof mit, denn die Mutter musste ihn alleine mit den sechs Kindern bewirtschaften, denn der Vater war in russischer Gefangenschaft am Typhus verstorben.

Weil Hubert Unzeitig – so hieß er mit bürgerlichem Namen – Missionar werden wollte, trat er in die Gemeinschaft der Mariannhiller Missionare in Reimlingen bei Nördlingen ein. In Würzburg holte er das Abitur nach und studierte Philosophie und Theologie. Hier wurde er auch 1939 zum Priester geweiht. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges hatte für ihn zur Folge, dass er statt in die Mission – seinem großen Lebensziel, als Priester in Riedegg in Oberösterreich und in Glöckelberg im Böhmerwald eingesetzt wurde.

Sein Protest gegenüber der Judenverfolgung brachte ihm letztlich das Konzentrationslager Dachau ein. Dort betreute er freiwillig die Kranken, rettete Einige vor dem Hungertod, indem er sein eigenes Essen abgab und spendete vielen die Sterbesakramente. Er steckte sich selbst am Flecktyphus an und starb mit nur 34 Jahren am 2. März 1945.

Am 24. September 2016 konnte er bei uns im Würzburger Dom seliggesprochen werden – ein wahrhaft unvergesslicher Tag.

Was können wir, liebe Schwestern und Brüder, an diesem Seligen für uns beispielgebend erkennen?

Erstens: Mag die eigene Lebenssituation auch noch so ausweglos erscheinen, ich kann als neue Schöpfung Gottes die Wirklichkeit des Himmels durch mein Tun bezeugen.

Pater Engelmar hat sich nicht in sich selbst zurückgezogen, sondern im Gebet und in der Feier der heiligen Messe mit Gott kommuniziert und in Konsequenz anderen Leidenden beigestanden. Es wird sogar berichtet, dass er im Konzentrationslager manchmal beinahe die Zählappelle verschwitzt hätte, weil er tief im Gebet vor dem Allerheiligsten in der Gefangenenkapelle versunken war.

Wir stehen heute vor der gewaltigen Aufgabe einer Neuevangelisierung Europas. Dies kann uns nur gelingen, wenn wir die uns in der Taufe geschenkte neue Schöpfung in Gebet und Tun mit der Hilfe Gottes auch realisieren, d. h. sichtbar machen. Der eingeschlagene Synodale Weg kann nur gelingen, wenn die Aufgabe der Kirche bejaht wird, den Menschen die unverkürzte Wahrheit über unsere Erlösung durch Jesu Kreuzestod und damit das ewige Heil zu verkünden. Das Kreuz bleibt auch in unserem Leben ein Geheimnis, das nicht nur Märtyrerzeichen sondern durch die Auferstehung Jesu auch Siegeszeichen ist.

Zweitens: Pater Engelmar hat seine Bereitschaftserklärung, sein Adsum bei der Priesterweihe, in einer Situation durchgehalten, die ihn menschlich gesehen überfordern musste. Er hat sich als Aushilfspriester ebenso um französische Kriegsgefangene gekümmert wie als Gefangener im KZ Dachau um russische Inhaftierte. Er hat sich auch da eingebracht, wo es sein eigenes Leben kosten sollte.

Wie steht es mit uns, wenn unser Versprechen Gott gegenüber auch im Alltag eingelöst werden muss? Ich denke dabei nicht nur an unser Versprechen bei der Ehe und bei der Priesterweihe, sondern auch an unsere christliche Grundhaltung Menschen gegenüber, die jetzt unsere Hilfe brauchen – z. B. Flüchtlinge und Asylsuchende. Machen wir mit der Botschaft des Evangeliums auch dann ernst, wenn wir persönlichen Schaden in Kauf nehmen müssen?

Drittens: Pater Engelmar hatte sich den Mariannhiller Missionaren angeschlossen, weil er in die Mission gehen und dort in fernen Ländern den Glauben einpflanzen wollte. Nach seiner Priesterweihe am 6. August 1939 (kurz vor dem Ausbruch des II. Weltkrieges) konnte er nur kurze Zeit als Priester in Würzburg, Linz und als Pfarrprovisor in Glöckelberg wirken. Am 21. April 1941 erfolgte seine Verhaftung und nach sechs Wochen Aufenthalt im Linzer Gefängnis die Überführung in das KZ Dachau.

Obwohl sein Wunsch, in die Mission zu gehen, sich nicht erfüllt hatte, wurde er nicht depressiv, sondern er erkannte, dass er auch hier – wie er selbst schrieb, wörtlich: „in diesem gottverlassenen Lager, in dem das Böse regiert und wo wir leicht glauben könnten, von Gott und der Welt in unserem Leiden verlassen zu sein“ – seine missionarische Berufung leben konnte.

Und wir? Ist für uns nicht erst die Möglichkeit gegeben, heute unseren Glauben authentisch bescheiden und damit wirkkräftig zu leben? Wir brauchen keine Verfolgung, Bestrafung oder gar Hinrichtung zu fürchten. Kann uns da nicht diese Lichtgestalt aus dunkelster Zeit zur nötigen Einsicht verhelfen? Wir müssen mehr Mut haben als Christen, wir dürfen uns nicht in die Kirchen und Sakristeien zurückdrängen lassen. Wir müssen mit dem Glaubenszeugnis in  die Öffentlichkeit, überzeugend mit einer ehrlichen christlichen Grundhaltung auftreten.

Möge der selige Pater Engelmar für uns dabei ein tatkräftiger Fürsprecher sein. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Unser Alltag läuft nicht mehr rund, es ist gewaltig Sand in das Getriebe der Welt geraten. Ein unsichtbarer Virus hat uns aus der Bahn geworfen. Und so läuft vieles nicht mehr rund; im Getriebe der Welt knirscht es gewaltig und wir sind aus unserer Ordnung geworfen. Vieles gerät durcheinander.

Gerade diese Erfahrung hat auch Pater Engelmar gemacht. Sein Leben verlief in ziemlich geordneten Kreisen, auch wenn es immer wieder geknirscht hat, wie etwa der frühe Tod seines Vaters. Aber er hat immer wieder eine Ordnung für sich gefunden, so dass er seinen Weg finden konnte. Pater Engelmar hatte sich den Mariannhiller Missionaren angeschlossen, weil er in die Mission gehen und den Glauben verkünden wollte. Nach seiner Priesterweihe am 6. August 1939 – kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – konnte er nur kurze Zeit als Priester in Würzburg, Linz und als Pfarrprovisor in Glöckelberg wirken. Am 21. April 1941 erfolgte seine Verhaftung und nach sechs Wochen Aufenthalt im Linzer Gefängnis die Überführung in das KZ Dachau.

Als junger Priester hat er sich um französische Kriegsgefangene gekümmert, wie dann als Gefangener im KZ Dachau vor allem um russische Inhaftierte, die ihm am Herzen lagen. Er hat sich da eingebracht, wo es sein eigenes Leben kosten sollte. Pater Engelmar hat sich nicht in sich selbst zurückgezogen, sondern im Gebet und in der Feier der heiligen Messe mit Gott kommuniziert und in aller Konsequenz anderen in ihren Leiden beigestanden. Es wird sogar berichtet, dass er im Konzentrationslager manchmal beinahe die Zählappelle verschwitzt hätte, weil er tief im Gebet vor dem Allerheiligsten in der Gefangenenkapelle versunken war.

Und dann geriet alles in Unordnung, es war nicht nur Sand im Getriebe geraten, sondern es schien, als ob alle Zahnräder kaputt gingen und das Chaos ausbrach: Der Typhus brach im KZ aus – grenzenlos. Pater Engelmar und einige Mitbrüder wussten genau, dass diese Krankheit einen schweren Verlauf hat und unweigerlich zum Tod führt. Sein Vater war im Ersten Weltkrieg gerade an dieser Krankheit gestorben. Und nun stellt sich Pater Engelmar zur Verfügung, um diese dem Tod geweihten Kranken zu helfen und ihnen beizustehen.

Sein Wunsch, in die Mission zu gehen, hat sich nicht erfüllt, aber er wurde nicht depressiv, sondern er erkannte, dass er auch hier „in diesem gottverlassenen Lager, in dem das Böse regiert und wo wir leicht glauben könnten, von Gott und der Welt in unserem Leiden verlassen zu sein“, wie er selbst schrieb, seine missionarische Berufung leben konnte.

Am 2. März 1945 starb P. Engelmar, nachdem er sich bei der Pflege in den Typhus-baracken selbst mit der tödlichen Krankheit angesteckt hatte. Einige Mitbrüder aus dem Priesterblock bemühten sich um seine Asche und schmuggelten sie auf abenteuerliche Weise aus dem KZ nach Würzburg. Nach seiner Seligsprechung im September 2016 wurde die Asche von P. Engelmar im Altar unserer Kirche in Würzburg beigesetzt.

Es gibt viele Situationen, in denen unsere Welt aus den Fugen gerät, in der Sand ins Getriebe kommt und es gewaltig knirscht. Immer wieder lässt uns das Leben zweifeln:

„Warum lässt Gott das zu?“ Es ist eine Frage, auf die es keine andere Antwort gibt als den gelebten Glauben. Ein Glaube, der Tat werden will und der in Liebe antwortet, auch in der Umgebung von Hass und Gewalt. Der Glaube kann dann wieder Ordnung in unsere Herzen bringen. Auch wenn ich selbst gefesselt bin, bleibt das Wort Gottes frei und hat die Kraft Fesseln abzustreifen. Es ist eine Freiheit, die auch uns in unserem Alltag tragen kann. So können dann auch wir sehen, wo unsere Liebe, wo wir selbst gebraucht werden. Denn „Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh“ schreibt Pater Engelmar in einem seiner letzten Briefe aus dem KZ.

Schriftlesungen: Gen 18,1-15 (Besuch Gottes bei Abraham) und
Mt 8,5-13 (Heilung des Dieners des Hauptmanns von Kafarnaum)

Und siehe – da war eine Kirche und ein Friedhof, von Gras überwachsen, von Hirten als Schafstall missbraucht, dem Vergessen preisgegeben. Die Verheißungen, die hier einst gebetet und gesungen, alles schien zunichte; die Predigten einst feurig und lebensgefährlich – hatte das Regime doch den längeren Atem, indem es den einen vernichtet hat, der hier die Lebensregeln Gottes eingefordert und nicht die Regeln des Führers verkündet?
Doch Gott geht andere Wege – in der Hitze des Tages kam er und ließ sich nieder, um seine Verheißung zu erneuern: Übers Jahr werde ich wieder kommen und siehe – du wirst Nachkommen haben; Zukunft wird zugesagt und sie glaubten nicht! Ja sie lachten über diese frommen Zusprüche: Wie soll dies geschehen, der Glaube ist verloschen, wir sind zu alt, die Fruchtbarkeit verbraucht.

Aber das Wunder geschah: Eine Handvoll beherzter Menschen beginnen die Stätte der Erinnerung zu pflegen und wieder aufzurichten. Die Grabsteine werden neu gesetzt, die Kirche erneuert, der Glaube gepflegt – und übers Jahr, ehe man sich versieht, da gibt es wieder Lieder und Gebete und Hoffnungen, die von der Zukunft und vom Vertrauen in Gott singen. Die Herren dieser Welt werden nicht gewinnen, nein, Gerechtigkeit wird geübt! Die, die Gewalt angetan, über sie wird gerichtet und diejenigen, denen Unrecht geschehen, werden verehrt und ihrer wird erinnert.

Liebe Gläubige hier in Glöckelberg, die Geschichte von den drei Fremden bei Mamre, die Abraham und Sarah die schon nicht mehr geglaubte Zukunft verkünden, sie berührt stets mein Herz, weil es eine Hoffnungsgeschichte ist, die uns allen Mut und Zukunft zuspricht. In ausweglosen Situationen, wo wir schon aufgegeben haben, wo die Mutlosigkeit sich wie eine zähe Mittagshitze über alles gelegt hat, dort wo wir schon abgeschlossen haben mit unserem Schicksal, dort hinein spricht Gott seine Zukunftsverheißung – den Spöttern und Lästerern zum Trotz.

Die Zukunft unserer Kirche? Sie hat keine, eine veraltete, verkrustete Organisation, zu viel Sünder in den eigenen Reihen, zu viel Schuld im Lauf der Geschichte, die geht unter, geht vorbei – so mutmaßen viele! Und unsere Herzen sind betrübt angesichts schwindender Gläubiger und weniger werdender Männer und Frauen, die sich in den Dienst Gottes stellen lassen. Aber – siehe – da kommen sie vorbei bei uns und wollen zu Gast sein und sagen uns zu: Die Hoffnung wird nie ausgelöscht, habt doch Vertrauen, Gott selbst gibt seiner Kirche Zukunft.

Ich denke auch an unsere geschundene Welt: Das Klima steht an der Kippe, Hagelstürme, Hitze und Trockenheit, ein Wirbelsturm, der ganze Dörfer vernichtet hier bei uns in Mitteleuropa. Viele sind verzweifelt und glauben nicht mehr, dass wir es schaffen, das Ruder herumzureißen. Aber – siehe – die Jungen Menschen, wütend über unsere Wirtschaftspolitik, die sich nicht schert um die filigranen Zusammenhänge in der Ökonomie unserer Mutter Erde; sie stehen auf, gehen unermüdlich auf die Straße und verkünden: Eine Veränderung ist möglich, wir schaffen es, wenn wir umkehren und der Hoffnung wieder Raum geben. Sie sind die Engel unserer Zeit, die uns Zukunft verheißen, wenn wir sie für möglich halten.

Ich denke weiters an so viele Menschen auf der Flucht vor Kriegen und Elend, die ihre Heimat verlassen müssen – wie damals, als auch hier in Tschechien so viele Menschen losziehen mussten, um andernorts neu ihr Leben aufzubauen. Viele sagen heute: Nein, wir können keine mehr aufnehmen, das geht nicht, das zerstört unsere Gesellschaft. Aber – siehe – engagierte Christinnen und Christen vereint mit vielen Menschen guten Willens engagieren sich für diese geflüchteten Menschen; unterstützt vom Papst und unseren Bischöfen fordern sie eine Politik, die allen Menschen ein gutes Leben zusagt und allen eine Chance bietet. Ist es auch schwierig, gemeinsam können wir dieses Wunder vollbringen und Leben retten; menschlich bleiben aus der Erinnerung, die auch in die Hl. Schrift eingeschrieben ist: Denn du warst selber Fremdling in Ägypten, bedenke also, wie du mit den Fremden umgehst und siehe in ihnen den verängstigten Menschen, der du selber bist!

Liebe Pilgerinnen und Pilger hier in Glöckelberg, wir wollen auf die Zusage vertrauen, die Jesus heute dem Hauptmann in Kafarnaum gibt: Geh, es soll geschehen, wie du es geglaubt hast! Jesus wirbt um dieses Vertrauen in eine Welt, die menschengemäß und deshalb gottgefällig ist. Die Hoffnung, die uns zugesagt ist, an ihr dürfen wir festhalten, auf sie dürfen wir vertrauen; dann ist vieles möglich!

Pater Engelmar Unzeitig hat in einem seiner Briefe geschrieben: „Über seine Kräfte lässt ja Gott keinen versucht werden. Wir wollen daher mit Gottvertrauen in die Zukunft schauen und uns wie auch hier gegenseitig stützen, denn wahre Bruderliebe – heute würden wir sagen: Nächstenliebe – überwindet alle Bosheit der Welt.“

Liebe Schwestern und Brüder!

Unser Alltag läuft nicht mehr rund. Der Coronavirus hat uns jetzt schon zwei Jahre aus der Bahn geworfen. Und nun knirscht es seit Tagen auch gewaltig im Getriebe der Welt. Wir sind völlig aus unserer Ordnung geworfen, die uns bisher getragen hat. Vieles gerät durcheinander, nicht nur in der Ukraine. Wir spüren, wie sehr alles zusammen hängt. Wie wir aufeinander angewiesen sind mit Handelsketten, mit Importen und Exporten. Auf einmal ist unser Leben, an das wir uns gewohnt haben, bedroht. Ein Krieg ist ausgebrochen – vor unserer Haustür. Menschen kämpfen, Menschen sterben und Menschen fliehen vor Gewalt und Terror.

Solche Erfahrungen hat auch Pater Engelmar gemacht. Sein Leben verlief in ziemlich geordneten Kreisen, auch wenn es immer wieder geknirscht hat, wie etwa der frühe Tod seines Vaters. Aber er hat immer wieder eine Ordnung für sich gefunden, so dass er seinen Weg finden konnte. Pater Engelmar hatte sich unserer Gemeinschaft angeschlossen, weil er in die Mission gehen und den Glauben verkünden wollte. Nach seiner Priesterweihe am 6. August 1939 – kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – konnte er nur kurze Zeit als Priester in Würzburg, Linz und als Pfarrprovisor in Glöckelberg wirken. Am 21. April 1941 erfolgte seine Verhaftung und nach sechs Wochen Aufenthalt im Linzer Gefängnis die Überführung in das KZ Dachau – ohne Verurteilung und ohne Gerichtsurteil. Er wurde einfach aus dem Weg geräumt.

Als junger Priester hat er sich um französische Kriegsgefangene gekümmert, wie dann als Gefangener im KZ Dachau vor allem um Inhaftierte aus dem Osten. Er hat sich da eingebracht, wo es sein eigenes Leben kosten sollte. Pater Engelmar hat sich nicht in sich selbst zurückgezogen, sondern im Gebet und in der Feier der heiligen Messe mit Gott kommuniziert und in aller Konsequenz anderen in ihren Leiden beigestanden. Es wird sogar berichtet, dass er im Konzentrationslager manchmal beinahe die Zählappelle verschwitzt hätte, weil er tief im Gebet vor dem Allerheiligsten in der Gefangenenkapelle versunken war. Der Krieg im Land war allen – auch im KZ – bewusst. Diese Nachrichten konnten von der Zensur nicht zurückgehalten werden. Wo es ihnen möglich war, versuchten die Gefangenen aufeinander zuzugehen und sich gegenseitig beizustehen.

Der Krieg war da im Land – spürbar für alle. Und dann geriet alles noch mehr in Unordnung, es war nicht nur Sand im Getriebe geraten, sondern es schien, als ob alle Zahnräder kaputt gingen und das Chaos ausbrach zu Beginn des Jahres 1945: Typhus brach im KZ aus – grenzenlos und nicht aufzuhalten. Pater Engelmar und einige Mitbrüder wussten genau, dass diese Krankheit einen schweren Verlauf hat und unweigerlich zum Tod führt. Sein Vater war im Ersten Weltkrieg gerade an dieser Krankheit gestorben. Und nun stellt sich Pater Engelmar zur Verfügung, um diese dem Tod geweihten Kranken zu helfen und ihnen beizustehen.

Sein Wunsch, in die Mission zu gehen, hat sich nicht erfüllt, aber er wurde nicht depressiv, sondern er erkannte, dass er auch hier in diesem Lager, „in dem das Böse regiert und wo wir leicht glauben könnten, von Gott und der Welt in unserem Leiden verlassen zu sein“, wie er selbst schrieb, seine missionarische Berufung leben konnte – bis zur letzten Hingabe.

Am 2. März 1945 starb Pater Engelmar, nachdem er sich bei der Pflege in den Typhus-baracken selbst mit der tödlichen Krankheit angesteckt hatte. Einige Geistliche aus dem Priesterblock bemühten sich um seine Asche und schmuggelten sie auf abenteuerliche Weise aus dem KZ nach Würzburg. Nach seiner Seligsprechung im September 2016 wurde die Asche von Pater Engelmar im Altar unserer Kirche in Würzburg beigesetzt.

Es gibt viele Situationen, in denen unsere Welt aus den Fugen gerät, in der Sand ins Getriebe kommt und es gewaltig knirscht. Warum müssen Menschen in einem sinnlosen Krieg für den Machtanspruch eines Mannes sterben? Immer wieder lässt uns das Leben zweifeln: „Warum lässt Gott das zu?“

Es ist eine Frage, auf die es keine andere Antwort gibt als den gelebten Glauben. Ein Glaube, der Tat werden will und der in Liebe antwortet, auch in der Umgebung von Hass und Gewalt. Der Glaube kann dann wieder Ordnung in unsere Herzen bringen. Auch wenn ich selbst gefesselt bin, bleibt das Wort Gottes frei und hat die Kraft Fesseln abzustreifen. Es ist eine Freiheit, die auch uns in unserem Alltag tragen kann. So können dann auch wir sehen, wo unsere Liebe, wo wir selbst gebraucht werden.

Wir spüren die Angst, dass Fremdes uns überschwemmt; die Angst vor Hass, Mordlust und Krieg. Es fällt uns schwer zu reagieren und unseren Glauben zu bekennen. Der selige Pater Engelmar kann uns helfen, dass wir als Christen mehr Mut haben, dass wir uns nicht zurückdrängen lassen, dass das Chaos uns nicht beherrschen kann. Er kann uns helfen uns mit anderen zusammenzusetzen und gemeinsam über das Reich Gottes zu sprechen.

Wir müssen mit dem Glaubenszeugnis in die Öffentlichkeit, überzeugend mit einer ehrlichen christlichen Grundhaltung auftreten. Pater Engelmar kann uns helfen, mit unseren Mitteln, wo wir leben, uns für die Gerechtigkeit und für den Frieden einzusetzen.

Denn „Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh“ schreibt Pater Engelmar als Aufmunterung für sich – und für uns.

Fest des Seligen Pater Engelmar Unzeitig CMM – 1. März 2022: St. Josef – Altdorf, Schweiz

Als ich letzten Donnerstagabend hier ankam, sah ich viele Menschen in der Stadt, die verschiedene bunte Kostüme trugen, und ich dachte, sie gehörten vielleicht zu einem Hollywood-Film über Halloween oder einen Superhelden.

In den letzten Jahren haben wir viele Bücher und Filme gesehen, die sich mit dem Thema Gut und Böse und der Rolle von Superhelden in unserem Leben befassen. Einige von uns kennen und mögen sogar Filme wie Super Man, Super Woman, Iron Man, Batman, Cat Woman, Spiderman, usw.

Aber warum ein solches Interesse an Superhelden? Ich vermute, das liegt an der Zeit, in der wir uns gerade befinden. Eine Zeit großer Besorgnis und Unsicherheit. Deshalb brauchen wir Menschen, die uns helfen können, den Sinn unserer Welt zu verstehen; die für uns einstehen, wenn wir Angst haben; die die Besten von uns sind!

Wenn wir dies auf unseren christlichen Glauben übertragen, sehe ich die Heiligen als unsere Superhelden und sogar als noch mehr! Auch wenn wir während unseres jährlichen Karnevals nicht immer verkleidet wie sie herumlaufen, sind und bleiben sie Personen, die uns beschützen, für uns eintreten und unsere Kämpfe führen. Für uns Katholiken sind die Heiligen das, was wir bestenfalls sein können!

Heilige sind Männer und Frauen, die das Evangelium so sehr verkörpern, dass sie zum lebendigen Zeichen der rettenden Gegenwart Christi in der Welt werden. Ein Heiliger ist ein anderer Name für ein Sakrament. Obwohl alle Heiligen gleich sind, sind die Märtyrer für mich etwas Besonderes. Das liegt einfach daran, dass die Märtyrer Christus ähnlicher sind, weil sie ihr eigenes Blut vergossen haben.

Unser eigener Mitbruder, der Selige Pater Engelmar, ist ein leuchtendes Beispiel für uns Mariannhiller und für alle Christen, dem wir folgen sollten. Wie Christus hat auch er sich entäußert und seinen Willen nach dem des Vaters ausgerichtet (vgl. Philipper 2,5-8).

Pater Engelmar trat in unsere Missionskongregation ein und hatte Träume und Hoffnungen, eines Tages in die Mission zu gehen. Doch Gott hatte eine andere Mission für ihn. Gott gab ihm seine Mission in den rauen, brutalen, unmenschlichen und tödlichen Baracken des Konzentrationslagers Dachau. Als treuer Missionar ließ er nicht zu, dass ihm irgendetwas oder irgendein Elend im Weg stand. So lernte er Russisch, um den Russen seelsorgerisch zur Seite stehen zu können. Angetrieben von reiner Christus- und Nächstenliebe und im Bewusstsein der damit verbundenen Risiken meldete er sich freiwillig, um die typhuskranken Häftlinge zu betreuen. Dort, bei ihnen und als einer von ihnen, starb er als wahrer Zeuge des Evangeliums, als treuer Jünger unseres Herrn Christus, der für unsere Erlösung gestorben und auferstanden ist.

Aus diesem Grund danken wir Gott heute dafür, dass er einen der Unsrigen als Superhelden, als Heiligen, zu uns geschickt hat. Heute, am Vorabend der Fastenzeit, sind wir eingeladen, über sein Leben nachzudenken und insbesondere darüber, was Gott an ihm und durch ihn getan hat. Heute sind wir aufgerufen, dem leuchtenden Beispiel von Pater Engelmar nachzueifern, besonders hier in Europa in dieser Zeit des Krieges. In dieser sehr prekären Zeit lädt uns Pater Engelmars Leben und sein Beispiel dazu ein:

I.         Auf den anderen zuzugehen und Worte des Friedens und der Versöhnung zu sprechen;

II.        Auf Fremde zuzugehen und sie als Freunde zu begrüßen;

III.       Sich denen zuzuwenden, die Angst haben und verzweifelt sind, und ihre Hand zu halten und ihr Trost und ihre Stärke 
            zu sein;

IV.       Sich den Kranken und Sterbenden zuzuwenden und ihnen Christus zu bringen, Christus, der unsere Heilung und
            Hoffnung ist.

Es gibt ein neues Interesse an Superhelden, weil wir uns als Menschen daran erinnern müssen, dass wir eine friedliche, gerechte und vereinte Welt haben können, wenn wir uns nur zusammenschließen. Wir haben Pater Engelmar und die Heiligen, weil Gott uns daran erinnern will, wer wir im besten Fall sein können.

Möge dieser Sohn von Abt Franz Pfanner uns als Ordensmissionare weiterhin ein Beispiel der Treue sein. Möge dieser Sohn Europas ein unermüdlicher Fürsprecher für diesen Kontinent sein, der in eine seiner schwierigsten Zeiten der jüngsten Vergangenheit eintritt.

Seliger Pater Engelmar Unzeitig, bitte bete für uns.

P. Thulani Mbuyisa CMM
Generalsuperior

Predigt zum Gedenkgottesdienst Pater Engelmar Unzeitig (Mt 10, 17 – 22/ Röm 8, 31b – 39)

„Wo ist Gott?“ Diese Frage hörte ein jüdischer Rabbiner einen Mithäftling sagen, als ein kleiner Junge grausam am Galgen sterben musste. Doch er spürte in sich die Antwort: „Dort, am Galgen, da hängt Gott!“

Liebe Schwestern, liebe Brüder. Wo ist Gott – im Ukrainekrieg, in den Kriegen der Welt, in den Katastrophen, wo ist Gott bei dem schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien? Wieviel Häuser werden zerstört? Doch mehr noch – wieviel Seelen werden zerstört?

Wenn wir das Leben von Engelmar Unzeitig bedenken, dann hat er sehr viel Leiden und auch Entbehrungen erfahren müssen. Denn er war aufgewachsen in sehr bescheidenen Verhältnissen. Nach seiner Priesterweihe am 6. August 1939 in Würzburg führte ihn sein Weg nach Riedegg, wo er als Seelsorger französische Kriegsgefange betreute. Dann übernahm er auf die Bitte des Linzer Bischof die kleine Pfarrstelle in Glöcklberg. Gerade hier war sein Mut zum Glaubensbekenntnis gefordert. Denn viele Bewohner und Bewohnerinnen waren dem Nationalsozialismus zugetan. Weil Pater Engelmar Jesus Christus als den wahren Herrscher der Welt ansah, und zuerst Gott Gehorsam leisten wollte, kam er in seiner Gemeinde in Glöcklberg schnell in Konflikt mit einigen aus seiner Pfarrei.  Einer seiner Schüler denunzierte ihn. Nach einem Gefängnisaufenthalt in Linz wurde er nach Dachau ins Konzentrationslager gebracht. Doch Engelmar ließ sich auch hier nicht verbiegen. Welch ein fester Glaube muss in ihm gelebt haben, dass er alle Grausamkeiten, die er dann im KZ Dachau von 1941 – 1945 miterleben musste, aushalten konnte.  Welch eine tiefe Liebe hat Engelmar wohl bewegt, sich dann gegen Ende des Krieges freiwillig mit anderen zur Pflege der Typhuskranken zu melden. Er tat dieses in dem Wissen, dass diese Meldung wohl sein eigenes Todesurteil bedeutete.

„Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung?“ „All das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat!“ Diese Worte aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer, hat Engelmar in sein Leben umgesetzt. Engelmar wusste sich getragen von der Liebe Christi. Jesus selbst ist für seine Botschaft in den Tod gegangen. Die Worte aus dem Römerbrief können auch uns Mut machen in den Schwierigkeiten, mit denen wir in unserer Zeit und in unserem Leben zu kämpfen haben. In seinen Leiden sah Engelmar einen Weg, weiter in der eigenen Liebe zu Gott zu reifen. Er schreibt am 7. Mai 1944, als er bereits drei Jahre im KZ Dachau inhaftiert war und sicher vieles hat erleiden müssen diese Worte: „Es erschüttert einen, wenn man sieht und hört, wie die Menschen, die man trifft, trotz der Heimsuchungen, mit denen Gott an ihr Herzenskämmerlein klopft und sie vom Seelenschlafe aufwecken will, weiter verstockt und verblendet dahinleben und eher verstockter und verbitterter werden. Andererseits erkennt man immer wieder, wie nach den Lehren unserer heiligen Religion all die Rätsel und Schwierigkeit, die anderen so viel zu schaffen mache, so schön gelöst werden und uns so viel Trost und Freude zuteilwird…“

Engelmar sah die Ursache allen Unrechts, in der Abkehr von Gott. Dachau, wo Engelmar starb, Auschwitz und all die Konzentrationslager zeigen, wohin die Welt kommen kann, wenn sie ohne Gott lebt und die Gebote Gottes mit Füßen tritt. Engelmar entdeckte – wie viele – wie sehr die Liebe zu Gott Trost und Kraft schenkt und vor jeder Verzweiflung bewahrt. Eben das können wir auch von Engelmar lernen – dieses tiefe Vertrauen in Gott, auch wenn die Zukunft Europas, die Zukunft der Welt oder die eigene Zukunft ungewiss ist, auch wenn sie – menschlich gesehen – düster ist. Wie Engelmar wollen wir Vertrauen in Gott fassen. Wir wollen fest glauben: Gott ist da in den Grausamkeiten des Lebens. Dieses Vertrauen wollen wir dann weiterschenken an die Mitmenschen. Amen.

Predigt zum Wallfahrtsgottesdienst Glöckelberg am 17. Juni 2023
(
1 Joh. 5, 1 – 4/ Joh. 21, 15 – 19)

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

Gott lenkt alles in seiner wunderbaren Weisheit. Wir wissen nur nicht sofort, wozu alles gut ist. Liebe Schwestern, liebe Brüder, das schrieb Pater Engelmar am 10. August 1941. Da war er seit dem 3. Juni 1941 inhaftiert. Am 25. Januar 1942 schreibt Pater Engelmar: Dass für uns so viel gebetet wird und dass Gott alles wunderbar lenkt, merken wir täglich an uns.

Als Pater Engelmar, damals noch Hubert Unzeitig, mit 17 Jahren in das Seminar der Mariannhiller eintrat, um einmal Priester und Missionar zu werden, konnte er nicht ahnen, was auf ihn zukommen würde. Was hat er sich wohl gedacht, als er am 6. August 1939 in Würzburg zum Priester geweiht wurde. Als Missionar in Afrika wollte er das Reich Gottes verkünden. Die politischen Umstände seiner Zeit machten eine Reise nach Afrika unmöglich. Dem Regime der Nationalsozialisten kam es darauf an, die Kirche und insbesondere die Priester immer mehr in Verruf zu bringen.

Nach seiner Priesterweihe wurde Pater Engelmar nach Riedegg in Österreich versetzt. Er machte dort Aushilfen und nahm sich der französischen Kriegsgefangenen an. Obwohl es verboten war, diesen als Seelsorger beizustehen, hielt er ihnen auf Französisch jeden Sonntag eine Ansprache.

Dann bat der Linzer Diözesanbischof um Priester für seine Pfarreien. Pater Engelmar übernahm die Pfarrei Glöckelberg. Dort war er ein sehr eifriger Seelsorger. Ihm war es wichtig, Jesus Christus als den einzigen wahren Herrn zu verkünden. Das hat einigen, die mit Hitler und dem Nationalsozialismus sympathisierten, nicht gefallen. Sicherlich: Auch Pater Engelmar war als Sudetendeutscher in jungen Jahren Hitler und den Nationalsozialisten wohlgesinnt. Für viele Sudetendeutsche galt Hitler als Befreier. Doch im Laufe der Jahre merkte er, wie menschenverachtend das Regime war. Gott wurde nicht mehr anerkannt als Herrscher der Welt. An die oberste Stelle setzen die Nationalsozialisten den Menschen, insbesondere Hitler. Alles, was mit Religion und Glauben zu tun hatte, verachteten die Nationalsozialisten. So wurde auch Pater Engelmar bespitzelt. Wegen seiner zutiefst christlichen Einstellung wurde er auch denunziert. Er wurde verhaftet und nach der Untersuchungshaft in Linz nach Dachau überstellt.

Die 4 Jahre im KZ Dachau wurden für Pater Engelmar eine sehr grauenvolle Zeit. Doch Engelmar wuchs im KZ menschlich wie religiös. Er reifte zu einem Seelsorger und Helfer für andere Menschen.

Bekam er von seinen Verwandten ein Packet mit Essen geschickt, teilte er das mit denen, die weniger hatten als er. Mit großem Mut nahm er sich der russischen Gefangenen an, obwohl es verboten war. Er übersetzte einen Katechismus in russischer Sprache. Als er in einer Fabrik eingesetzt wurde, begegnete er einem russischen Offizier. Durch Pater Engelmar fand dieser zum katholischen Glauben. Wenn er auch nicht in Afrika als Missionar wirken konnte, so sah er seinen Missionsauftrag im KZ Dachau. Dass er sich dann 1945 mit anderen Priestern zur Pflege der Typhuskranken meldete, war ein Beweis seiner tiefen Liebe zu Christus, in die er hineingewachsen war.

Der selige Pater Engelmar kann uns auch heute noch vieles sagen. Engelmar fühlte sich von Gott wunderbar geführt in allem Schrecklichen, in allen Denunzierungen. Auch wir dürfen unser Leben von Gott geführt wissen, gerade dann, wenn es leidvoll wird, wenn sich Wünsche und Hoffnungen nicht erfüllen. Es ist das tiefe Vertrauen auf die Führung Gottes im eigenen Leben wie auch im Leben der Kirche. Als einzelne Gläubige und auch als Kirche haben wir es nicht leicht wegen mancher Skandale der letzten Jahre. Doch was will uns Gott mit diesen Ereignissen sagen? Wohin wird sein Heiliger Geist uns führen? Engelmar kann uns zeigen, wie wichtig es ist, als Christ/ in zu leben, heute zu Jesus zu stehen als den Herrn der Welt. Die Welt braucht unser Glaubenszeugnis.

Der selige Pater Engelmar ist für uns ein Vorbild, dass jedes Leben wertvoll ist. Durch seine Sorge um russische Gefangene hat er echte Friedensarbeit geleistet. Er hat immer wieder die Begegnung mit ihnen gesucht und er ist den Weg der gegenseitigen Verständigung gegangen. Der selige Pater Engelmar ist ein Vorbild für eine Haltung, die auf das Wohl anderer schaut und sich verschenkt, ja hingibt, wenn es notwendig ist. Jedem Egoismus erteilt sein Verhalten eine Absage.

Das Leben von Engelmar war sehr erfüllt. Immer mehr wuchs er in die Haltung hinein, sich von Jesus führen zu lassen. Jesus hat im Evangelium zu Petrus gesagt: „Als du jung warst, gürtest du dich selbst. Jetzt wird dich ein anderer gürten, und dich führen, wohin du nicht willst!“ Petrus ist Jesus gefolgt und hat selbst sein Leben gegeben für den Glauben. Auch Engelmar gab sein Leben. Denn er wusste, dass die Pflege der Typhuskranken sein eigenes Leben gefährdete. Diese Liebe zu Jesus hat ihn auf andere Wege geführt, als er sie sich erhofft hatte. In dieser Liebe hat Engelmar „die Welt besiegt“ wie es in der Lesung geschrieben wurde. Es ist die Welt des Hasses und der Grausamkeiten. Es ist die Welt des Egoismus. Es ist die Welt, in der die Minderheiten verfolgt werden.

Haben wir echte Hoffnung. Gott lenkt alles in seiner wunderbaren Weisheit. Wir wissen nur nicht sofort, wozu alles gut ist. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Vieles läuft nicht mehr rund, es ist Sand in das Getriebe der Welt geraten. Und nun knirscht es gewaltig. Wir sind aus unserer Ordnung geworfen, die uns bisher getragen hat. Vieles gerät durcheinander, ein Krieg in der Ukraine und ein Krieg in Israel und Palästina – und wir wissen, dass das nicht die einzigen Kriege in dieser Welt sind. Alles hat Auswirkungen und ein gut geöltes Getriebe gerät ins Stocken und es knirscht allenthalben. Wir spüren wie sehr alles zusammen hängt. Wie wir aufeinander angewiesen sind mit Handelsketten, mit Importen und Exporten. Auf einmal ist unser Leben, an das wir uns gewohnt haben, bedroht.

Solche Erfahrungen hat auch Pater Engelmar gemacht. Sein Leben verlief in ziemlich geordneten Kreisen, auch wenn es immer wieder geknirscht hat, wie etwa der frühe Tod seines Vaters. Aber er hat immer wieder eine Ordnung für sich gefunden, so dass er seinen Weg finden konnte. Pater Engelmar hatte sich den Mariannhiller Missionaren angeschlossen, weil er in die Mission gehen und den Glauben verkünden wollte. Nach seiner Priesterweihe am 6. August 1939 – kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – konnte er nur kurze Zeit als Priester in Würzburg, Linz und als Pfarrprovisor in Glöckelberg wirken. Am 21. April 1941 erfolgte seine Verhaftung und nach sechs Wochen Aufenthalt im Linzer Gefängnis die Überführung in das KZ Dachau – ohne Gerichtsurteil. Er wurde einfach aus dem Weg geräumt.

Als junger Priester hat er sich um französische Kriegsgefangene gekümmert, wie dann als Gefangener im KZ Dachau vor allem um Inhaftierte aus dem Osten. Er hat sich da eingebracht, wo es sein eigenes Leben kosten sollte. Pater Engelmar hat sich nicht in sich selbst zurückgezogen, sondern im Gebet und in der Feier der heiligen Messe mit Gott kommuniziert und in aller Konsequenz anderen in ihren Leiden beigestanden. Es wird sogar berichtet, dass er im Konzentrationslager manchmal beinahe die Zählappelle verschwitzt hätte, weil er tief im Gebet vor dem Allerheiligsten in der Gefangenenkapelle versunken war. Der Krieg im Land war allen – auch im KZ – bewusst, aber wo es ihnen möglich war, versuchten sie aufeinander zuzugehen und gegenseitig beizustehen.

Der Krieg war da im Land. Und dann geriet alles noch mehr in Unordnung, es war nicht nur Sand im Getriebe geraten, sondern es schien, als ob alle Zahnräder kaputt gingen und das Chaos ausbrach zum Jahreswechsel 1945: Typhus brach im KZ aus – grenzenlos. Pater Engelmar und einige Mitbrüder wussten nur allzu gut, dass diese Krankheit einen schweren Verlauf hat und unweigerlich zum Tod führt. Sein Vater war im Ersten Weltkrieg gerade an dieser Krankheit gestorben. Und nun stellt sich Pater Engelmar zur Verfügung, um diese dem Tod geweihten Kranken zu helfen und ihnen beizustehen.

Sein Wunsch, in die Mission zu gehen, hat sich nicht erfüllt, aber er wurde nicht depressiv, sondern er erkannte, dass er auch hier „in diesem gottverlassenen Lager, in dem das Böse regiert und wo wir leicht glauben könnten, von Gott und der Welt in unserem Leiden verlassen zu sein“, wie er selbst schrieb, seine missionarische Berufung leben konnte.

Am 2. März 1945 starb Pater Engelmar, nachdem er sich bei der Pflege in den Typhus-baracken selbst mit der tödlichen Krankheit angesteckt hatte. Einige Mitbrüder aus dem Priesterblock bemühten sich um seine Asche und schmuggelten sie auf abenteuerliche Weise aus dem KZ nach Würzburg. Nach seiner Seligsprechung im September 2016 wurde die Asche von Pater Engelmar im Altar unserer Kirche in Würzburg beigesetzt.

Es gibt viele Situationen, in denen unsere Welt aus den Fugen gerät, in der Sand ins Getriebe kommt und es gewaltig knirscht. Immer wieder lässt uns das Leben zweifeln:

„Warum lässt Gott das zu?“ Es ist eine Frage, auf die es keine andere Antwort gibt als den gelebten Glauben. Ein Glaube, der Tat werden will und der in Liebe antwortet, auch in der Umgebung von Hass und Gewalt. Der Glaube kann dann wieder Ordnung in unsere Herzen bringen. Auch wenn ich selbst gefesselt bin, bleibt das Wort Gottes frei und hat die Kraft Fesseln abzustreifen. Es ist eine Freiheit, die auch uns in unserem Alltag tragen kann. So können dann auch wir sehen, wo unsere Liebe, wo wir selbst gebraucht werden. Denn „Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh“ schreibt Pater Engelmar in einem seiner letzten Briefe aus dem KZ.

Leid spirituell bewältigen – Das Beispiel des Seligen Pater Engelmar Unzeitig

Jeder Mensch erlebt Leid auf eine einzigartige Weise. Und doch kann uns inspirieren, wie andere Menschen mit leidvollen Situationen umgegangen sind, ob sie daran zerbrochen oder gewachsen sind. So ist es auch beim Seligen Pater Engelmar Unzeitig. In den Briefen, die er aus dem Konzentrationslager Dachau senden durfte, können wir erkennen, wie er selber einen Sinn in seinem Leiden erkannt hat!

UNERSCHÜTTERLICHES GOTTVERTRAUEN

Noch aus der Haft in Linz schrieb er am 7.5.41: „Wir sind allezeit in Gottes Hand und er weiß alles zum Guten zu lenken.“ Am 27.7. nun schon aus Dachau: „Im Vertrauen auf Gott schauen wir in die Zukunft.“

Woher kommt dieses Gottvertrauen? Pater Engelmar bezieht sich einige Male auf einen Satz des Apostels Paulus aus dem Römerbrief (8,28): „Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt.“ So schreibt er noch im Monat seiner Einlieferung ins KZ am Fest Peter und Paul 1941: „Uns alle stärkt der Gedanke, dass ohne den Willen Gottes nicht einmal ein Haar von unserem Haupte fällt und dass denen, die Gott lieben, oder sich wenigstens darum bemühen, alles zum Besten gereicht.

Das Vertrauen in Gott konkretisiert sich bei Pater Engelmar zum Vertrauen in den Willen Gottes, wie er sich auch in den Umständen des Lebens zeigt. So sagt er am 10.8.41: „Gott lenkt alles mit wunderbarer Weisheit. Wir wissen nur nicht sofort, wozu alles gut ist.“ Pater Engelmar ist also überzeugt, dass selbst die schreckliche Situation, in der er sich befindet, etwas Gutes hervorbringen kann.

CHRISTUS ÄHNLICHER WERDEN

Eine weitere Quelle, mit der Engelmar sein Leiden bewältigt, ist seine Sehnsucht, Christus immer ähnlicher zu werden.

Am 7.9.41 schreibt er: „Ich suche die Zeit hier so gut als möglich auszunützen für die seelisch religiöse und geistige Vervollkommnung.“ Am 25.1.42: „Ich hoffe auch hier für die Ewigkeit arbeiten zu können. Für Erfahrung und Anregung ist ja überall Gelegenheit und, um gleichsam ein zweiter Christus zu werden (wovon der hl. Paulus spricht), dazu ist ja ein weiter Weg.“

Pater Engelmar sieht seine Versklavung im KZ Dachau wie eine Art von Exerzitien, daher von geistlichen Übungen. Er schreibt am 22.3.42: „Gott hat also den Walter (sein Deckname) in Exerzitien ganz eigener Art geführt, die der Größe und dem Ernst der Zeit entsprechen.“ Und kurz darauf, am 3.5.42 bestätigt er dies mit der Aussage, dass er und seine Mitgefangenen im KZ „von Gott selber in harter Schule gebildet werden.

Aber Pater Engelmar ist nicht naiv. Er weiß um den Satz: Not lehrt beten, aber er kennt auch die Realität, daß Leid genauso zum Fluchen führen kann, zur Verzweiflung. So sagt er am 6.2.44: „Man denkt, Leid ist doch für gewöhnlich ein Führer zu Gott, aber man sieht, dass sehr schwere Heimsuchungen doch viele Laue auch zerbrechen.“

Drei Wochen bevor er sich am 11.2.45 freiwillig zum Dienst in den Typhusbaracken meldet, schreibt er am 14.1.45: „Wir dürfen ja nie vergessen, dass alles, was Gott schickt oder zulässt, alles zu unserem Besten gereichen wird. Es liegt nur an uns, dass wir alles benutzen zur Ehre Gottes und um den anderen Freude zu machen. Dann haben wir den größten Nutzen davon und das Leben wird erträglicher.“ Sogar die Leidenszeit im KZ wollte Engelmar nutzen, um Christus ähnlicher zu werden. Wir dürfen überzeugt sein, das war auch die Motivation mit der er sich freiwillig in den Typhusblock meldet. Es machte ihn Christus noch ähnlicher. So hat Engelmar seine „harte Schule“, seine „Exerzitien“ im KZ gut genutzt und damit seinem Leiden einen Sinn gegeben.

DIE GEGENWART GOTTES IN SEINEM HERZEN

Ein weiteres Element, wie Pater Engelmar sein Leiden spirituell bewältigt hat, wird deutlich in einem Brief vom 15.12.41: „Gott nimmt uns manches aus der Hand, was uns lieb und teuer war. Doch was geht über das Glück, Gott selbst in unserem Herzen zu wissen, der ja die Quelle aller Seligkeit und allen Friedens ist.“

Hier stoßen wir auf etwas ganz Wichtiges. Denn mit dieser Aussage stellt Engelmar fest, dass sein Glück nicht von den Umständen seines Lebens abhängt, so furchtbar diese sein mögen, sondern dass es aus seinem Herzen kommt, genauer von der Gegenwart Gottes in seinem Herzen.

Verwandt damit ist eine Äußerung am 20.5.42: „Wieviel Trost gibt uns doch das Wort der Schrift: die Leiden dieser Zeit sind gar nicht zu vergleichen mit der Himmelsseligkeit, die Gott denen bereitet hat, die ihn lieben und mit dem Frieden eines guten Gewissens.“ Die Himmelsseligkeit ist etwas Zukünftiges, von dem wir hin und wieder gleichsam „Kostproben“ erhalten. Aber der Friede des guten Gewissens ist etwas Gegenwärtiges. Er hilft Engelmar, sein Leid zu bewältigen.

STELLVERTRETENDE SÜHNE

Aber das ist noch nicht alles. Wir finden in seinen Briefen noch einen weiteren Gedankengang, mit dem Pater Engelmar seinem Leiden einen Sinn gibt. Schon am 13.7.41 schreibt er: „Beten und opfern wir weiter füreinander und für die Rettung der Menschheit in Christus.“ Gleich zweimal (am 11.1.42 und am 4.10.42) zitiert er ein der hl. Theresia von Lisieux zugeschriebenes Wort: „Im Übrigen tröstet mich sehr ein Wort der heiligen Theresia: Mit Worten kann man wohl Seelen unterrichten, retten kann man sie nur durch Leiden.

Ein weiteres Beispiel vom 21.5.44: „Gott schenkt mir weiter das Leben, dass ich ihm näher komme und Buße tue für meine und der Mitmenschen Sünde.“ Und im nächsten Monat am 25.6.44 schreibt er: „Ach könnte ich doch durch grenzenlose Liebe und Sühne die entsetzliche Schuld der Menschen gut machen.“

Uns mit Gott versöhnen kann nur Christus. Wie geht es dann, dass Engelmar meint, er könne gleichsam wie Jesus stellvertretend Sühne tun für die Sünden anderer Menschen? Er deutet es an. Es geht um ein Zitat aus dem Kolosserbrief 1,24: »Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben, was an den Leiden Christi noch fehlt«. Er schreibt unter Bezug auf dieses Wort am 8.3.42: „Es freut mich, dass Engelmar auch in seiner jetzigen Stellung manches Gutes tun kann, ja vielleicht das Größte in seinem Leben, dass er, wie Paulus sagt, ergänzen kann, was an den Leiden Christi noch mangelt.“ Und im gleichen Monat am 22.3.42: „Ich freue mich, dass ich unserem Herrn und Erlöser etwas helfen darf in der Rettung der Seelen.“

Wir haben in den Briefen des Seligen Pater Engelmar aus dem KZ Dachau ein wenig erkennen dürfen, wie er sein Leiden bewältigt hat: durch unerschütterliches Gottvertrauen, durch seinen Wunsch Christus immer ähnlicher zu werden, durch das Wahrnehmen der Gegenwart Gottes in seinem Herzen und durch seine Bereitschaft sein Leiden mit dem Leiden Christi zu vereinen zur Rettung der Seelen.