Im Hohen Dom zu Würzburg hielt Bischof em. Paul-Werner Scheele eine beeindruckende Predigt über Pater Engelmar Unzeitig CMM – Hier im Wortlaut – Es gilt das gesprochene Wort.
11. Sonntag i.J. (C), 12. Juni 2016
Pater Engelmar Unzeitig – Gedenken im Hohen Dom
2 Sam 12,7-10.13 / Gal 2,16, 19-21 / Lk 7,36-60
Zur Nummer erniedrigt
Am 3. Juni 1941 wurde der Mariannhiller Pater Engelmar Unzeitig ins KZ Dachau geliefert. Die gesamte Kleidung wurde ihm genommen. Vom Kopf bis zu den Füßen wurden ihm die Haare geschnitten. Er erhielt die Lagernummer 26 147. Was das bedeutete machte der SS-Kommandant den Neuankömmlingen klar. Er sagte ihnen: „Ihr habt aufgehört, Menschen zu sein. Ihr seid aus der menschlichen Gemeinschaft ausgestoßen. Ihr seid jetzt nur noch Nummern. Wenn eine Nummer ausfällt, kann sie von einem anderen getragen werden.“ Im Blick auf ihre Lebenserwartung machte ein Blockältester den Häftlingen klar: „Setzt euch keine Flausen ins Hirn, als ob ihr bald wieder entlassen würdet. Der normale Weg in die Freiheit geht durch den Kamin“, also durchs Krematorium. In der Tat war das der Weg, der Pater Engelmar bevorstand. Er ging ihn als Märtyrer. Mochten Menschen ihn erniedrigen, ihn schwächen und verletzen, ihn elend sterben lassen, Gott hat ihn zu seinem Zeugen berufen, zu einem Helfer, der uns allen beistehen kann.
Zum Zeugen berufen
Zeuge des liebenden Vaters
Mit Leib und Seele ist Pater Engelmar Zeuge des liebenden Vaters. Das war unsagbar schwer angesichts dessen, was er Tag für Tag, Jahr um Jahr erlebt. Gelegentlich schreibt er, man müsse „wahnsinnig werden bei der Not des Leibes und der Seele.“ Wie der Mithäftling Pater Sales Hess formulierte erschien Dachau wie „eine Welt ohne Gott“. Gleichwohl hier Gottes Gegenwart, Gottes Wirken, ja Gottes Liebe bekennen ging über die menschlichen Kräfte hinaus. Es war nur durch Gottes Gnade möglich. Sie schenkte Engelmar ein ungebrochenes Gottvertrauen. Schon im Linzer Gefängnis hielt er fest: „Wir sind allezeit in Gottes Hand und er weiß alles zum Guten zu lenken.“ In Dachau ergänzt er: „Gott lenkt alles mit wunderbarer Weisheit. Wir wissen nur nicht sofort, wozu alles gut ist.“ Für Engelmar sind „die Zeitereignisse… Aufrufe Gottes, dass wir unser ganzes Hoffen auf ihn setzten und unser ganzes Sinnen und Streben nach seinem Willen gestalten und ihn ob seiner großen Liebe zu uns preisen in Freud und Leid.“
Zum Zeugnis für den liebenden Vater gehört die Bereitschaft, alles anzunehmen, was er uns zuweist. Sie lässt ihn kurz vor seinem Tod festhalten: Wir wollen „weiter aus Gottes Hand annehmen, was er in Zukunft schicken wird und ihm alles aufopfern.“ In den Leiden und Nöten, die er durchmachen muss, erkennt er einen tiefen Sinn. Das deutet er in einem Brief an seine Lieben an, in dem er schreibt: „Wir sollen wohl die Friedlosigkeit in der Welt für die anderen mitfühlen und miterleben und ihnen zum wahren Frieden verhelfen. Dann wundert es uns nicht, wenn Gott uns manches aus der Hand nimmt, was uns lieb und teuer war. Doch was geht über das Glück, Gott selbst in unserem Herzen zu wissen, der ja die Quelle aller Seligkeit und allen Friedens ist.“
Zeuge der Christusgemeinschaft
In allem, was Pater Engelmar tun darf, wie in dem, was er zu leiden hat, weiß er sich mit Christus verbunden. Dabei hilft ihm die Erinnerung an die dreißig Jahre, in denen der Erlöser in der Verborgenheit gelebt hat. Er lässt seine Schwester wissen: „Ich denke mir halt immer wieder, wenn Christus, der vom Himmel gekommen war, um die Welt zum Vater zurückzuführen, dreißig Jahre lang in der Verborgenheit das Leben eines Arbeiters geführt (hat), so wird er auch unsere nicht berufliche Tätigkeit in Gnaden für seine Absichten annehmen!“ Die drei Jahrzehnte jenseits der Öffentlichkeit waren mehr als eine Zeit der Vorbereitung, sie gehören wesentlich zu seinem Erlösungswerk. In ihrem Licht sieht der Häftling das, was ihm in den Grenzen des Konzentrationslagers möglich ist. Er will es mit und in Christus tun.
Alles soll „der Heimholung der Welt ins Vaterhaus Gottes“ dienen. Inmitten aller Nöte freut sich Engelmar darüber, dass er dem Erlöser helfen darf bei der „Rettung der Seelen“ als „Kronzeuge seiner Wundermacht.“ Verhalten deutet er an, „dass er, wie Paulus sagt, ergänzen kann was an den Leiden Christi noch mangelt.“
Engelmar erklärt sich „zu jedem von Gott geforderten Opfer bereit. Wenn nur seine Ehre und das Heil der Seelen immer mehr gefördert werde“. Er ist bereit, Christus bis in den Tod hinein nachzufolgen.
Zeuge der Christusnachfolge
Sein Ziel ist es, „gleichsam ein zweiter Christus, d. h. ein solcher Seelenhirt wie ER, zu werden (wovon der hl. Paulus spricht).“ Er weiß, dass dazu „ein weiter Weg“ zu bewältigen ist. Deshalb gilt es, „jeden Tag versuchen, Christus ähnlicher zu werden und dadurch auch andere emporzureißen.“
Zum Höhepunkt dieses Bemühens kommt es kurz vor dem Ende des Krieges. Manche Ereignisse nähren die Hoffnung der Häftlinge auf ein Ende ihrer KZ-Zeit. Da bricht Ende 1944 eine Typhusepidemie aus. „Schutzlos ihrer Krankheit ausgeliefert sterben die Kranken wie die Fliegen. Eine Lagerstatistik weist einen Tagesdurchschnitt von mehr als hundert Toten aus.“ Als man sich seitens der Lagerleitung nicht mehr zu helfen wusste, suchte man unter den Häftlingen freiwillige Helfer. Jedem war klar, dass man damit sein Leben riskierte. „Jeder der sich zum Krankendienst in den verseuchten Baracken meldete, durfte nicht mehr auf den Block zurückkehren. Für ihn gab es keinen Gottesdienst mehr. Drüben bei den armen Invaliden wartete Arbeit, unangenehmster Krankendienst… Dazu die ständige Ansteckungsgefahr in den überfüllten Baracken, wo alles krank darniederlag… Mit neunzig Prozent Gewissheit konnte unter den gegebenen Umständen jeder Freiwillige mit seinem Tod rechnen.“ Gleichwohl meldeten sich zwanzig Priester für diesen Einsatz. Nur zwei von ihnen überlebten.
Am Morgen des 2. März 1945 wurde Pater Engelmar heimgerufen. Durch sein Leben, Leiden und Sterben war er ein begnadeter Zeuge der Worte Jesu: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Joh 15,13). Amen.